Ach komm Albert, du hattest ja nun ewig lange, gute Jahre, in denen du dich auf des Großmeisters Abgesang einstellen konntest..
Denk nur mal an die Zeit, als Lolli ins Yamaha Werksteam kam. Da war der Großmeister schon fast über der sportlichen Alterszeit. Jeder, aber wirklich jeder, dachte damals, dass es nun das Ende der Rossi Ära sein könnte.
Danach der ?Trotz?-Wechsel zu Ducati, der zwar völlig in Ordnung war - leider war es damals die Ducati noch nicht. Deshalb gab es dabei nie das Gefühl, Rossi könnte sich doch noch mit einem italienischen Fabrikat, den10. Titel, und zudem einen triumphalen Abgang gestalten.
Die absolut größte Zeit Rossis, die man nach seinen überragenden Jahren bis 2010, und inklusive dem Ducati Desaster, mit fast ungläubigem Staunen, zu seiner bis dato, trotz Höhen und Tiefen, grandiosen Karriere dazu ?on top? hieven musste, war nach dem erneuten Wechsel zu Yamaha.
Wie er sich menschlich, technisch, körperlich und vor allem mental, wieder von unten nach oben arbeitete, in einem sportlichen Alter jenseits von jugendlichem Leichtsinn und der Agilität eines 20ig jährigen, zeigte eine Stärke von Rossi, die ich bis heute noch niemals im Leistungssport erlebt habe. Ausgenommen vielleicht der Karriere von Cassius Clay, zu dessen absoluter Größe ich Rossi ohne zu zögern dazuzählen würde.
Es gab und gibt immer wieder Genies, Ausnahmekönner, Lichtgestalten, in allen Leistungssportarten. Die die Menschen verzaubern, und deren ?übermenschliche? Fähigkeiten, Strapazen und Entbehrungen für ihre Titel, aus jeder Fassette ihrer Aktivität strahlen. Doch wie bei jeder Wunderkerze, ist immer nur eine begrenzte Menge an Pulver vorhanden, in der sie am hellsten funkeln kann.
Man brennt aus. Hat alles erreicht, und kann sich nicht immer, und immer wieder, all die Strapazen und Entbehrungen antun, ohne dabei das existenzielle Feuer zu verlieren.
Doch ohne dieses Feuer kommt man nicht in die Sphären, die für einen möglichen Titel in Frage kommen.
Wenn ich heutzutage Marquez zuschaue, sehe ich immer auch den jungen Rossi dabei. Beide in ihrer Jugend von unbeschreiblichem Talent, Mut und Wahnsinn gesegnet, jeder auf seine Art.
Und plötzlich taucht da noch der ?alte? Rossi neben Marquez auf. Jüngere Zuschauer werden das Paradoxe dabei überhaupt nicht bemerken, da sie Rossi eigentlich nur von den letzten Jahren kennen. Optisch sieht man ja nicht, dass der Knabe noch eine erste ?Karrieren Dekade? auf dem Buckel hat.
Lässt man sich diese Tatsache, während der aktuellen Rennen, immer wieder auf der Zunge zergehen, bekommt man erst die ganze Geschmacksnote der Persönlichkeit, und des Sportlers Valentino Rossis zum Entfalten.
Doch auch ein Rossi muss seinen Tribut bezahlen. Als Mensch, als Leistungssportler, hat er schon mehr als alle anderen möglich gemacht. Das muss ihm erst einmal jemand nachmachen. So lange auf diesem Level!
Doch wer Marquez in diesem Jahr sah - so ausgereift, unglaublich stark, immer noch tolldreist, und das Limit weiter verschiebend, die stärker werdende Ducati mit den Titelhungrigen Fahrern, dazu die neuen jungen Wilden wie Zarco, usw. usv. - muss gestehen, dass der Glaube an Rossis 10. Titel, nur noch über ein Wunder möglich wird.
Diese Chance war 2015 letztmals vorhanden. Ich verzeihe Marquez dieses unglaubliche Foul niemals. Es wird immer deutlicher, wie historisch dieser Eingriff einmal in die Geschichte eingehen wird. Denn es war die wahrscheinlich letzte Chance für den Großmeister auf den Titel.
Über Rossis Abgang mache ich mir mal keine Sorgen. Ich denke schon, dass er mit seinem Image und seinem Marketing Siegel, niemals, außer er will es ausdrücklich selbst, von der MotoGP Bildfläche verschwinden wird. Natürlich ist das etwas anderes als der Fahrer auf dem Podest. Aber er ist ja jetzt auch ein ?großer Junge?, und wird deswegen nicht in die Klapse kommen.
Das schlimmste wird für ihn sein, wenn er mit klarem Verstand erkennen muss, dass er die Top5 nicht mehr sauber im Griff hat. Zu wissen, dass man noch verdammt gut ist, aber doch nicht mehr gut genug. Das stelle ich mir nicht einfach vor.