es braucht nicht viel Phantasie um die Teamkonstellation beim Yamaha Werksteam, im nächsten Jahr, als das Salz in der MotoGP Suppe zu erkennen. Ob es auch gleich den Pfeffer mitliefert, wird sich zeigen. Dass die Suppe aber zu fad wird, muss angesichts der Kontrahenten nicht befürchtet werden.
Da wäre einmal der Großmeister, Valentino Rossi, der von 1996 bis 2010 in unzähligen Rennen seine Qualitäten am Gasgriff und bei den Psychospielchen gezeigt hat. Er hat in dieser Zeit wie das heilige Fegefeuer die gesamte Motorrad Elite abgefackelt, und nie auch nur den geringsten Zweifel an seinem ?göttlichen? Status gelassen. Was das fortschreitende Älterwerden nicht geschafft hatte, erledigte die Ducati in nur zwei jämmerlichen Jahren. Der übersprudelnde Rossi hat kräftig Kohlensäure verloren. Ein stilles Wässerchen ist er zwar nicht geworden, aber der Dämpfer in der Psyche sitzt. Für einen Fahrer der seine Siege mit einem intuitiven und nahezu unzerstörbaren Selbstbewusstsein errungen hatte, kann diese Delle in der mentalen Verfassung der ausschlaggebende Punkt werden.
Dagegen steht sein Teamkollege, Jorge Lorenzo, vierfacher Weltmeister und am Höhepunkt seiner Karriere, der als erster, erfolgreich an Rossis Thron gerüttelt hatte, und sich in dieser Phase als hochkarätiger Titelanwärter mauserte, was sich dann letztlich auch bestätigte. Seine anfänglichen Rossi Nachahmspielchen hat er schnell beiseitegelegt, und sich fortan hauptsächlich damit beschäftigt, der Fachwelt zu zeigen, welche außergewöhnlichen Fähigkeiten als Motorradrennfahrer in ihm steckten. Sagenhaft seine Rennen, bei denen er von aussichtslosen Positionen, das Ruder herumriss, und in bravouröse Siege verwandelte. Diese Hartnäckigkeit, verbunden mit einer für Weltmeister unabdingbaren Konstanz über die ganze Saison, macht ihn zu einer Größe, die auf Augenhöhe mit dem Großmeister steht. Er ist kein Wadenbeißender Rookie mehr, sondern ein ausgewachsener Kampfhund, der nach dem ersten Ohrenbeißen nicht klein bei gibt, sondern nach der Kehle schnappen dürfte.
Der Großmeister hält sich verbal bedeckt, und weist vorsorglich darauf hin, er wolle nur sich selbst beweisen, ober er noch Schlagkräftig genug für Siege ist. In einem Interview ließ er, eher beiläufig, einen kurzen Blick in seine womöglich zutreffendere Zielsetzung gewähren. Auf die Frage, ob er seinen Rücktritt an eine Jahreszahl hängen könne, meinte er Sinngemäß, dass das bei entsprechenden Resultaten durchaus schon Ende 2013 sein könnte. Unausgesprochen blieb natürlich, dass es für ?entsprechende Resultate? nur eine einzige Variante gibt ? nämlich den WM Titel!
Im Speedweek Online Portal sind drei bemerkenswerte Interviews, die im Kern zur gleichen Aussage kommen. Dieses Duell wird im Kopf entschieden! Rossi ist mental angeschlagen, aber als Rennfahrer ein Egomane vom Herrn, der sich niemals wirklich als Nr.2 sehen wird.
Der Yamaha-Techniker Daniele Romagnoli kennt die beiden noch von 2010, und meint unter anderem:
Zitat
«Es wird 2013 mit Lorenzo und Rossi nicht einfacher sein als 2012», ist Romagnoli überzeugt, der jetzt bei Tech3-Yamaha als Crew-Chief von Cal Crutchlow arbeitet. «Auch ohne Trennwand werden die beiden wie zwei komplett separate Teams agieren. Es wird überhaupt keine Zusammenarbeit geben; damit darf man nicht rechnen. Ich weiss nicht, in welcher Rolle sich Valentino wiederfinden wird. Er war bei Yamaha jahrelang die Nr. 1. Das wird er 2013 nicht mehr sein. Aber Valentino wird nie jemanden über sich anerkennen. Schon gar nicht Lorenzo. Er will Macht ausüben und nicht unter der Kontrolle von Lorenzo stehen. Valentino hat mehr Angst vor Lorenzo gehabt als Lorenzo vor Rossi. Das könnte jetzt bei Valentino zu Problemen führen. Denn Jorge hat dem Team und Yamaha zwei Jahre lang seinen Stempel aufgedrückt. Er hat eine solide Basis. Und Valentino muss Lorenzo zuerst einmal besiegen...»
http://www.speedweek.de/MotoGP/news/3090...t-ausueben.html
Ähnlich äußert sich auch Kevin Schwantz, der 100% weiß von was er spricht, wenn er meint:
Zitat
«Wenn ein Fahrer zwei Jahre lang kaum eine Podestchance vorfindet, dann stellt er sich fragen. Ich hatte 1992 so eine üble Saison», erinnert sich Schwantz. «Ich habe ein Rennen gewonnen, aber bei den restlichen habe ich die Spitze nie aus der Nähe gesehen. Am Saisonende habe ich bei Suzuki gehörig Druck gemacht. Ich habe ihnen dringend geraten, die Entwicklung tüchtig voranzutreiben. Ich hatte Angst, den Anschluss an die Weltspitze zu verlieren. Ich habe keinen Zweifel: Auch Valentino hat einiges an Selbstvertrauen verloren.»
http://www.speedweek.de/art_30906.html
Wenn man nun die mentale Stärke von Lorenzo, der als aktueller Weltmeister, bis unter die letzte Haarwurzeln voll Selbstsicherheit sein müsste, entgegenhält, dazu noch die weniger schmeichelhafte Offenbarung von Yamaha, Rossi als Nachfolger von Ben Spies zu deklarieren, der nicht gerade sein Wunschkandidat, und selbstverständlich erst nach seiner Vertragsunterschrift unterbreitet wurde, dazu addiert, dürfte die Motivation von Lorenzo, Rossi vernichtend zu schlagen, deutlich erhöht sein.
Dazu etwas von Lorenzos Teammanager Wilco Zeelenberg:
Zitat
Inzwischen ist der gegenseitige Respekt zwischen Rossi und Lorenzo sicher grösser geworden. Aber die alten Wunden sind noch nicht gänzlich verheilt. Zeelenberg gibt deshalb gerne zu, dass die Nr. 46 nicht Lorenzos Wunschpilot für die nächste Saison war, als es um die Nachfolge von Ben Spies ging.
«Jorge hat einen anderen Fahrer vorgeschlagen. Aber es ist die Verantwortung von Yamaha, die Fahrer zu verpflichten», ist sich Zeelenberg bewusst. «Und in Mugello haben sie Jorge im Juli reinen Wein eingeschenkt. Die Yamaha-Manager haben ihm gesagt, dass sie mit Valentino verhandeln. Jorges Vertrag war bereits unterschrieben. Ich kann nicht behaupten, dass er in Begeisterungsstürme ausgebrochen ist. Aber er hat die Entscheidung von Yamaha akzeptiert.»
http://www.speedweek.de/MotoGP/news/3090...begeistert.html
Es dürfte spannend werden, wie sich die ersten Rennen 2013 entwickeln.
Wird Rossi, gleich bei den ersten Rennen, von Lorenzo im direkten Zweikampf deutlich besiegt, wird es für Rossis mentalen Zustand nicht einfacher. Würde Rossi gleich bei den ersten Rennen die Oberhand gewinnen, dürfte die Saison wirklich unterhaltsam werden. Einmal wieder an der Lunte gerochen, und der Großmeister geht ab wie Sau. Davon bin ich überzeugt.
Vielleicht wird er sich aber am Anfang etwas zurückhalten, um nicht gleich eventuelle Schwächen aufzudecken. Zwei, drei Rennen kann er sich noch mit Einarbeitung und Umstellung rausreden. Aber danach?
Lorenzo meint dazu:
Zitat
«Alle Rennfahrer würden gern den Weg des geringsten Widerstands beschreiten», gibt Lorenzo zu. «Jeder will ohne übertriebenes Risiko gewinnen und ohne unnötige Schwierigkeiten zum Erfolg kommen. Aber ich denke, die Ankunft von Valentino kann mich beflügeln. Es ist auch eine gute Gelegenheit für Valentino. Er kann auf der Rennstrecke beweisen, wozu er noch fähig ist. Er will zeigen, dass er noch Siege erkämpfen kann. Es wird ihm leichter fallen, vorne mitzumischen, weil die Yamaha viel leichter zu handhaben ist. Valentino als Teamkollegen zu haben, wird mich noch stärker machen. Ich kann einen der stärksten Fahrer alle Zeiten besiegen.»
Und Matthew Birt ergänzt im selben Artikel:
Zitat
Aber die Anspannung von Jorge Lorenzo ist auch bei diesen Worten zu spüren. Er hat erlebt, wie Rossi ein Team für sich einnehmen kann, wie er die Fans auf seine Seite bringt, wie die Entwicklungs-Ingenieure an seinen Lippen hängen, wie sehr ihn die Medien vergöttern und wie die Sponsoren mit ihm ins Rampenlicht drängen. Der Mythos Rossi hat nicht viel von seinem Glanz verloren.
http://www.speedweek.de/MotoGP/news/3092...egelt-mich.html
Lorenzo hat eindeutig die besseren Karten. Er ist noch voll auf der M1 zu Hause, hat die letzten zwei Jahre auf das Team eingewirkt, und ist mental gereift. Er wird wissen, wie fragil Rossis Psyche im Moment ist, und dementsprechend agieren. Die Frage ist, ob ihm Rossi die Möglichkeit dazu gibt.