Wenn eines klar ist, am Montag nach den Ereignissen am Red Bull Ring, dann das – es gibt einen „Renngott“.
Rennsport ist gefährlich, kein Zweifel. Aber im Prinzip, durch die Strecken und Sicherheitsvorkehrungen, weitgehend entschärft. Jedoch bewegen sich die Rennfahrer mit Geschwindigkeiten, die sich schon rein physikalisch nicht in vollständig abgesicherte Maßnahmen einbinden lassen. Das bedeutet schlicht und einfach, dass alle Aktionen auch Konsequenzen haben. Im besten Fall ist die Konsequenz, nach bestimmten Aktionen, am Ende als Sieger auf dem Treppchen zu stehen. Das weiß jeder. Und jeder macht mit, jeder liebt es. „No risk, no fun“, ist die universale Überschrift im Rennsport (auch im Hobby Sektor).
Betrachtet man nun die Aktionen genauer, so erkennt man die feinen Unterschiede, je höher der Level wird. MotoGP ist der höchste Level des Motorradrennsports. Alle Beteiligten Wissen darüber Bescheid, dass sie in einer Gruppe von Gleichgesinnten unterwegs sind. Gegner, die nur aus einem bestimmten Grund, dem, dass sie die Besten sind, auf diesen höchsten Level gekommen sind. Je gleichwertiger, oder perfekter, die Mitspieler, umso schwieriger wird es zu überholen. Und oftmals kann man nur in Sekundenbruchteilen eine Entscheidung treffen, deren Konsequenzen man unmöglich absehen kann. Zuviel Kleinigkeiten sind maßgebend.
Es gibt aber durchaus Parameter, die die Entscheidung zu einer Aktion beeinflussen, und die vor allem diese Profis intus haben müssten. Es gibt Streckenverläufe, die im Hochgeschwindigkeitsbereich absolviert, und am Ende logischerweise auch wieder abgebremst werden müssen. Dort gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Schaut man sich die Geraden auf den meisten Strecken an, wird man feststellen, dass es immer das gleiche ist. Man donnert die Gerade runter, und bremst dann die folgende Ecke an. Je nach Ecke, kann das ein mehr oder weniger großes Abbremsmanöver werden. Keine große Sache.
Es gibt aber Strecken, bei der das Fahren im Hochgeschwindigkeitsbereich, noch vor dem abbremsen durch eine langgezogene Kurve, oder eine Kuppe erschwert wird. Erschwert deshalb, weil wir in der MotoGP bei Hochgeschwindigkeit von bis zu 340 km/h sprechen. Jeder der schon den Unterschied zwischen 200 zu 250 km/h, oder noch extremer, die Unterschiede zwischen 250 und 300 km/h selbst erlebt hat, kann sich ungefähr vorstellen, was bei über 300 km/h abgehen muss. Nicht wenn man auf der Geraden hinter der Verkleidung hängt, da ist alles ruhig und gut. Es geht um das Agieren und Reagieren in diesem Bereich. Die Linie bei 300 zu verändern, oder mit über 300 auf einer schmalen, guten Ideal Line die Kurve anzubremsen, und kurz davor die Linie ändern zu müssen. Bei über 300 km/h geht das verdammt schwer, wenn nicht unmöglich, und die Kurve ist sehr, sehr schnell da, auch wenn man die falsche Anbrems-Linie hat. Und wir reden hier nicht auch noch von der technischen Möglichkeit, wie dass die Front oder die Bremsen nicht genug Stabilität vermitteln. Nein, selbst wenn die Technik funktioniert, ist es immer noch eine haarige Sache. Jede Runde.
Wenn ich mir nun das Manöver von Zarco anschaue, muss ich auch beim 100ersten Mal den Kopf schütteln, wie ein erfahrener Rennfahrer, der diesen Streckenabschnitt kennen müsste, so blauäugig, ja behämmert ist, seinen Gegner innen Überholen zu wollen. Er wusste, dass dieser Linksknick so gefahren wird, dass man sauber auf der linken Seite die folgende Rechtskurve anbremsen kann. Er wusste, dass wenn er bei ca. 300 km/h diese Innenlinie fährt, nicht die nachfolgende Rechtskurve links anbremsen kann. Er düst dann entweder geradeaus in den Acker, oder aber er muss so dermaßen in die Eisen, das die Rechtskurve total versemmelt wird.
Ebenso wusste er, dass Morbi da ganz schön schnell reagieren müsste, wenn da unglaublicher Weise, plötzlich ein Knallkopf quer die Linie vor dem Vorderrad kreuzt. Man könnte es auch „Gottvertrauen“ nennen. Ok, aber das hat nicht geklappt. Man sieht von hinten, wie Morbi etwas aus der Verkleidung hochgeht, und reagieren wollte. Ich vermute mal, er wollte wieder nach links auf seine ursprünglich geplante Linie. Ob dabei auch noch Zarco das Gas rausnahm, oder womöglich schon bremste, weil er sein Ziel im Kiesbett schon deutlich vor Augen hatte…keine Ahnung. Jedenfalls hat Morbi das Hinterrad von Zarco touchiert, und beide flogen raus.
Aber mal ganz ehrlich, wie blöd muss man sein, in einer Langgezogenen Linkskurve, die mit einer scharf anzubremsenden Rechtskurve abschließt, und die mit über 300 km/h zu deichseln ist, den Gegner innen zu überholen (man beachte – fürs Überholen muss man noch deutlich schneller sein) obwohl das für die anstehende Rechtskurve eine Desaster Linie wird. Hätte er es außen versucht, ok. Aber innen? Ist der total Behämmert?
Wenn sich jemand zur höchsten Klasse hochfahren kann, und dann solche Aktionen bringt, ist er für mich nicht mehr zurechnungsfähig. Das riecht ein wenig nach MM, der auch immer solch ähnlich haarsträubende Aktionen brachte. Zwischen Genie und Wahnsinn ist eben nur ein kleiner Fehltritt.
Bei Zarco sieht es aber immer mehr nach „Wahnsinniger will Genie spielen“ aus.
Um zum Anfang zurück zu kommen. Die Konsequenzen hat man nie im Griff. Es hätten keine Motorräder über die Strecke fliegen müssen. Aber es war eben so. Wären beide Motorräder im Kies stecken geblieben, hätte sich keiner große Fragen gestellt. Außer vielleicht der einen: Wie behämmert muss man sein, an dieser Stelle INNEN zu überholen? Beide Motorräder hätten aber auch im Kies stecken bleiben können, und nur ein kleiner Kiesel wäre an den Kopf eines Fahrers geschleudert worden, hätte das Visier wie eine Kugel durchschlagen können, und die Konsequenz wäre „Kopfschuss“ gewesen. Huch – alles möglich.
Ich bin eigentlich ein Ungläubiger. Wenn ich an etwas „Glaube“, dann nur soweit, dass ich „etwas für möglich halte“. Somit „glaube“ ich, dass es etwas Übergeordnetes gibt, das unser aller Leben so exakt steuert wie das Universum. Wenn wir manche Dinge nicht verstehen, dann nur, weil wir zu klein und unwissend sind, um die wirklich großen Dinge zu begreifen.
Ich weiß allerdings mit Bestimmtheit, dass sich mein alter „Kumpel“ Rossi die nächsten Tage so einige Gedanken macht.