Wer schon mal einem stark lädierten Freund ins Gesicht schauen musste, kann vielleicht das süßsaure Gefühlsgemenge nachvollziehen, als ich meiner schwer verletzten RD500, auf Krücken balancierend, das erste Mal gegenübertrat.
Süß deshalb, weil man den ?Freund? wieder sah, mit dem man zuvor extreme Situationen gemeistert hatte. So was schweißt zusammen.
Wenn auch keine Unterhaltung mit dem Verbündeten aus Metall, Kunststoff und Gummi möglich war. Auf Metaphysischer Ebene gab es klare Signale einer intensiven Gemeinschaft. Ganz behutsam spann sich ein geheimnisvolles Band brüderlicher Verschwörung um uns.
Mein Händler, der sichtlich mit mir litt, hatte meine Yamsel so schonend wie möglich, für mich vorbereitet.
Trotzdem, der erste Blick war eine Herausforderung. Seitenverkleidungen weg. Die voluminösen Ansaugboxen mit Tesa Leinwand fixiert. Das Vorderteil erneuert, vermessen und wieder startklar. Hinten musste der Sitzrahmen, der sowohl die oberen Auspuffrohre als auch das Rücklicht und Blinkergedöns festhielt, gewechselt werden. An verschiedenen Stellen steckten noch Grasbüschel mit all dem toten Mikrokosmos, den die Yamsel rotierend umgepflügt hatte, dran.
Sah alles schlimmer aus als es war.
Natürlich wurde bei jedem Salto der Kolateralschaden unter der Verkleidung größer. Aber solange die Wunden keine elementaren Funktionen beeinflussten, konnten sie als Ehrenwunden, mit der Verkleidung versiegelt, und dank vieler Reifen, Öl und Helm Aufkleber, auch die Schönheitsfehler der Verkleidung, elegant verschleiert werden.
Auf der anderen Seite wurde die Jungfräulichkeit des ?Originals? mit dem ersten Kratzer zerstört. Die natürliche Vorsicht zum Schutz des Originals war Vergangenheit und so fiel auch noch die letzte kleine Blockade beim Angasen weg.
Mit jedem weiteren Schritt, der Dank stabiler Knochenentwicklung auch bald ohne Krücken möglich war, wurden auf mysteriöse Weise auch sämtliche Schwüre und Vorsätze zum Schutz von Leib und Leben entsorgt.
So kam es, dass ich, immerhin bei noch sommerlichen Temperaturen, eines Tages wieder wie ein Frosch im Wasser auf der Yamsel klebte, und, als gäbe es kein Morgen, die Gänge Zweitakt- stakkato- mäßig im roten Bereich rauf und runter knallte.
Das Leben ist halt eine Kurve, und der Mensch ein Vollgastier!