#5.. Gefühlte Rennfahrerträume

#1 von Ar-one , 06.03.2015 20:25

Bevor ich meine neue RD500 in Schwarzwalds Tälern zu Zirkusreifen Einlagen nötigte, hatte ich mir zwei Jahre zuvor eine gebrauchte RD500 zum ?einreiten? besorgt.

Nach dem schmerzlichen Ende meiner ?Z1000 Le Monster? Ära, einer Scheidung und mehreren Umzügen, hatte ich das dringende Bedürfnis auf etwas Zerstreuung.

Aufgestachelt von Freddie Spencers Debüt auf dem alten Kontinent, wollte ich endlich mal auf einem annähernden Racergerät sitzen.
Zweitakter, Vollverkleidung, keine Speichenräder, dafür das oberaffengeile 16? Vorderrad.
Ohhhu mann!! Ich stand ungläubig vor den Schaufenster eines Gebrauchtwarenhändlers und gaffte wie Mogli in die Schlange. Warum das Teil bei einem Gebrauchtwarenhändler stand, und dort bestimmt keine olle Tante, die sich ein neues Spatzensieb besorgte, in Verzückung setzte konnte, blieb mir schleierhaft.
Aber wie immer bei solch mysteriösen Begegnungen, ging ich felsenfest von einer Schicksalsfügung aus, und folgerte schlussendlich, dass nur ich mit meinem täglichen Gang vorbei an dem Gebrauchtwarenhändler, der Grund für diesen ?Zufall? war.

Nachdem ich mir die gebrauchte beim richtigen Motorradhändler zugelegt hatte, war auch nach 1 Monat das Teil aus dem Schaufenster verschwunden. Also, wer jetzt noch an Zufälle glaubt?.
Die Verkäuferin, auf Nachfrage warum das Superteil überhaupt zum Verkauf stand, beschwor mich leise mit den Zauberworten: ?Unfahrbar, nicht Jedermanns Sache, mehr als heikles Fahrverhalten?.?

Elektrisiert sah ich vor meinem geistigen Auge, wie meine Arme durch unbändige Zweitakt Power schon bei leichtem angasen immer länger, und das geile 16? Vorderrad immer höher gerissen wurden.
Ohh, geil?. mein Traum, endlich auf einem Moped zu reiten, das nicht erst mühsam mit allerlei Zeugs veredelt werden musste, und von Haus aus mehr in Petto hatte, als der ?normalo Otto? verkraften konnte.
Ich war ja Gott sei Dank kein ?normalo Otto?, sondern berstend voll mit Heizerblut.
Umso größer die Enttäuschung als ich das erste Mal vom Hof des Händlers schnatterte. Vorsichtig anfahren. Mann wollte ja nicht gleich mit einem Überschlag in Erinnerung bleiben. Na dimmi? - abgemurkst. Welche Schmach!

Des Händlers Augen glänzten mit der Bestätigung: ?mehr als heikles Fahrverhalten!?
Bevor er ein ?nicht Jedermanns Sache? hinterherschicken konnte, röhrte ich mit wild schleifender Kupplung und vier rauchenden Flöten davon. Die erste Euphorie war gekappt. So hatte ich mir das mit den langen Armen und aufsteigendem Vorderrad nicht vorgestellt. Für meine Begriffe viel zu lasch und brav fuhr ich wie ein ?normalo Otto? die Landstraße entlang.
Fast schon zornig auf der Suche nach dem ?unfahrbaren? Spezial, musste ich erkennen, dass mein Verlangen nach ?mehr Motorrad als gut für mich war?, wieder nicht gestillt wurden. Der einzige Trost war, wie immer, dass es nicht allzu viele Ausweichalternativen gab, die so was versprachen.


Nach den ersten Schnupperkilometern entdeckte ich zum Glück etliche Eigenheiten des Zweitakters, so dass ich mit den Kilometern lernte wie der ?Due Takt? am meisten Freude bereiten konnte.
Bei 10500 u/min. fing offiziell der rote Bereich an. Was nichts Schlimmes bedeuten musste, denn erst wenn die vier Kölbschen über die 8000 u/min. Wohlfühlmarke gedreht hatten, schwappten sie vor heller Begeisterung so schnell auf 11000 u/min., dass ich bald aufgab sie daran zu hindern. Ganz im Gegenteil, ich unterstützte sie mit allen Kräften, damit sie ihr eigenes Limit erkunden konnte. Die werden schon von alleine langsamer werden.
Um immer in diesem für mich höchst interessanten Drehzahlbereich zu bleiben, musste ordentlich im Getriebe gerührt werden. Das war bestimmt ?nicht Jedermanns Sache?, und wie zum Beweiß meiner Extravaganz, knallte ich mit wachsender Begeisterung die sechs Gänge rauf und runter!
Da war schnelle Koordination der Körperwelten gefragt. Immer den richtigen Gang, die richtige Drehzahl und selbstverständlich auch die treffende Geschwindigkeit am Kurveneingang. Je wärmer ich mit der RD500 wurde umso mehr machte sie mir Spaß. Sie war zwar weit weg von meinem Über-Super-Traum-Motorrads, dem einen Motorrad, das nur für mich gebaut werden würde.

Aber durch die geänderte Fahrweise kam ich erst unbewusst, später bewusster, dem kleinen Traum, der ?gefühlten Rennfahrweise? etwas näher.


"Serious sport has nothing to do with fair play. It is bound up with hatred, jealousy, boastfulness, disregard of all rules and sadistic pleasure in witnessing violence: in other words it is war minus the shooting."

 
Ar-one
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