#_10.. Kampf gegen Windmühlen

#1 von Ar-one , 06.03.2015 20:22

Die Tage bis zum GP zogen sich träge in die Länge. Das mit dem Kaffee und dem Chillen war ja schon bei Rothmanns geklärt. Die Suche nach trinkbarer Plörre war um einiges mühsamer, wenn nicht gänzlich unmöglich. Schlussendlich parkten wir nachts auf einem Barhocker in der Disco, damit der üble Geschmack wenigsten mit Musik und tanzenden Weibern verdünnt werden konnte.

Einige Häuser weiter stadteinwärts, hinter unserer Herberge mit den weißen Handschuhen, passierten wir einen freien Platz auf der linken Straßenseite. Etwas zurückgesetzt, vielleicht um einen halben Häuserblock, lag ein kleines Bistro, das mit seinem gelangweilt dreinschauenden Kellner an der Einganstür, täglich auf etwas Abwechslung wartete.
Irgendwann wurden wir schwach, und saßen alleine, mit dem Kellner als Unterhalter, an einem der drei kleinen, runden Bistrotischchen, die vor der Tür standen. Es gab sogar eine zweisprachige Speisekarte. Ich bestellte, wie selbstverständlich, gegrillten Tintenfisch. Schließlich waren wir in Kroatien an der Küste. Mein Kumpel nahm irgendeine Jugo Grillpfanne. Eine halbe Stunde später bekamen wir zwar hübsch drapierte Fleischknäuel, die leider völlig zäh, und auch mit keinerlei Nachbehandlung, genießbarer als ein ausgeschüttelter Ölfiltereinsatz wurden. Favoriten fürs tägliche Mittagsmenü schmecken eindeutig anders.
Die Nähe zu unserer Herberge war allerdings nicht von der Hand zu weisen, und bevor wir gingen, schauten wir noch mal die Speisekarte durch. Vielleicht ließ sich doch noch etwas Brauchbareres finden.

Aaa-ha, es gab sogar Pizza! Zwei, drei Sorten nur, aber immer hin. In der Vergangenheit waren Pizzas immer das verlässlichste Futtermittel, egal in welcher Ecke dieser Welt wir steckten. Deshalb wollten wir, dem mittlerweile recht unterhaltsamen Kellner, am nächsten Tag noch eine letzte Chance geben.

So saßen wir also am nächsten Nachmittag - auf der Rennstrecke war bisher nur Reinhold Roth als einsamer Fitness Radler zu beobachten - in unserem Bistro in der Nachbarschaft. Zuerst äugte uns der Kellner skeptisch entgegen, so als wollten wir nach dem gestrigen Desaster Splitterholz aus seiner Grillbude machen.

Als wir uns tatsächlich setzten, Pizza quattro stagioni bestellten, schwappte die Erleichterung förmlich mit einem befreienden Lächeln aus dem angespannten Gesicht.
Nachdem wir die fettige Pizza, die mit all ihren schmackhaften Zutaten zwischen Messer und Gabel dampfte, mit wachsender Begeisterung vernichtet hatten, war klar, dass wir die beste Pizza der Welt gefunden hatten, irgendwo im feurig, mediterranen Fleischspießland mit schnödem Bistro und halbseidenem Meeresblick.
Man lernt nie aus.

Die Rennstrecke war eine Steinwüste, in die vermutlich eine Handvoll Zwangsarbeiter die Grundlage für das später ausgewalzte Asphaltband frei klopfen mussten. Anders war der Standort in dieser unwirtlichen Gegend nicht zu erklären. Es gab Rennfahrer, die ins Kiesbett rauschten, und später, nach dem ersten Schock, von den von ihnen frei geräumten Felskanten berichteten.

Für die Zuschauer war die Strecke gut zugänglich. Die Trainings, wie immer, das Beste. An einer Stelle, die kurze Gerade, nach der 180° Linkskurve, standen wir so nahe an der Strecke, dass man fast das After Shave der Fahrer riechen konnte. Ganz zu Schweigen von der Geräuschkulisse, wenn sie nach ihrem abschließenden Slide aus der 180° Kurve, übergangslos die kurze Gerade mit einem Wheely aufsaugten.
Direkt vor unserer Nase einen Gang zurück ?gepäppt?, durch eine leichte Links rechts Schikane, und weiter zu einer Bergab Linkskurve, die um einen Hügel und gleichzeitig aus unserem Sichtfeld bog.

Wer noch nie eine 500er Zweitakt Rennmaschine aus der Nähe arbeiten sah, noch dazu wenn sie von exzellenter Hand und todesmutigen Gladiatoren bedient wurde, kann am TV unmöglich das vor strotzender Kraft nahezu unberechenbare Monster, das den Mythos der unbezwingbaren Maschine nährt, nachvollziehen. Umso stärker wurden diejenigen in den Bann gezogen, die in unmittelbarer Nähe am Geschehen teilnahmen.
Als ob man selbst dabei wäre, brannten die Zweitakt Raketen ihre Dezibel ins Mittelohr. Selbst Wochen später, auf der zahmen RD500, waren sie unterm Helm wieder abrufbar. Zusammen mit den gedanklichen Beschleunigungs- und Schräglagenorgien, die dann selbstverständlich zügig an der harten Realität des ?normalen? Motorradfahrerlebens abgeschliffen wurden.

Kevin hat Wayne geknackt. Eddie durchsuchte kurz die Wiese nach Schlaglöchern. Freddy stellte seine Yamaha gleich ganz ab, und lief zurück in den Paddock.

Wir fuhren zufrieden nach Hause.

Drei Wochen später ab nach Belgien.
Spa signalisiert schon optisch eine wunderbare Rennstrecke. Drauf zu fahren muss ein göttliches Gefühl sein. Schnell, Breit, Superkurven und Bergauf Bergab. Genial.
Weniger genial das Wetter. Speziell an unserem Wochenende. Dauerregen mit kleinen Unterbrechungen, die immer genau für einen Neustart reichten, nur um nach 3 Runden wieder die Schleusen zu öffnen.
Nicht wirklich lustig, wenn man ohne Regen Accessoires am untersten Punkt der Strecke steht.

Die Stimmung war nicht nur bei uns auf dem Tiefpunkt. Den Rennfunktionären muss auch etwas besonders saurer Regen in die Birne geplätschert sein.
Denn nach dem dritten Neustart der 500er stellten sie fest, dass dieser dritte Start, laut Reglement, gar nicht stattfinden, und deshalb auch nicht gewertet werden durfte.

Als ob Kevin das geahnt hatte, schmiss er seine Suzuki in der letzten Runde, nach dem er mit einen komfortablen Vorsprung durch die Pfützen in Spa pflügte, einfach in die nasse Wiese.

Was für ein Desaster Tag.

Völlig Nebensächlich zu erwähnen, dass sich auf der Heimfahrt von Spa, mein hinterer Stoßdämpfer endlich durch die vermoderte Aufnahme gebohrt hatte. Wenigsten lief nun das Wasser im alten Golf sauber auf die rechte Seite ab, und verschonte mich vor nassen Füßen.


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RE: Kampf gegen Windmühlen?

#2 von tourenbiker , 08.03.2015 18:25

Und noch eine Gemeinsamkeit. Auch meine Frau und ich hatten einen 1er Golf mit den von Dir so schön beschriebenen Sonderausstattungen. Meine Frau hatte gerade den Führerschein gemacht, man schrieb das Jahr 1986, als ich mit ihr auf Urlaub fuhr. Und damit sie gleich genug Fahrpraxis bekam, jagte ich sie die jugoslawische Küstenstraße an der Adria bis nach Griechenland auf den Westpeleponnes hinunter. Aber dann konnte sie fahren. Allerdings war der Golf dann hinüber. Die Küstenstraße hat ihm den Rest gegeben. Als wir ihn aufhoben, um die Reifen zu wechseln, da fiel ihm einfach die Hinterachse heraus, das war's.


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RE: Kampf gegen Windmühlen?

#3 von Ar-one , 09.03.2015 18:58

ja, das waren so Hobel damals.

Eine Zeit lang hatte ich einen Passat, der gerade noch 2 Jahre TÜV bekam. War eigentlich ganz ok.

Mit dem fuhren wir auch mal nach Rijeka. Übern Wurzenpass ging ihm etwas die Luft aus, bzw. er qualmte wie ein Ofenrohr. Erst dachte ich er verliert Öl. Aber nach ein paar Metern stank es bestialisch nach verbrannter Kupplung. Der hat den Berg hoch immer schön die Kupplung schleifen lassen...haha.
Na ja, das war ja dann mal zu ende. Als es wieder den Berg runter ging, fing die Bremse an zu schwächeln. Der Hauptbremszylinder wollte nicht mehr so richtig dicht sein. Kannst dir ja mein Gesicht vorstellen. Das war am Anfang der Reise. Und wir fuhren über die Alpen in ein nicht gerade technisch vorbildlich ausgerüstetes Land. Na Prost, dachte ich damals.

Aber wie immer, in diesem Alter, zu dieser Zeit, kannte man weder Bedenken, noch irgendwelche Ängste. Immer druff uff de Mutti, war das Motto. Zu was hatte ich noch eine Handbremse. Und im Notfall eben den ersten Gang reinwürgen... geht doch...


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