RE: American Express 1988-1993

#1 von Ar-one , 05.02.2011 20:35

Jeder Lebensabschnitt wird von bestimmten Geschehnissen und Persönlichkeiten bestimmt. Selbst wenn man nur als Randfigur der Geschichte - als Zuschauer und Beobachter - fungierte, ändert es nichts an der Tatsache, dass man, im nachhinein betrachtet, unheimlich stolz und glücklich darüber ist, an diesem Wimpernschlag der Motorradsport Geschichte teilgenommen zu haben.

Deshalb zuerst die offiziellen Hauptdarsteller?


Kevin Schwantz



Kevin Schwantz war der Valentino Rossi seiner Zeit: Die Fans liebten ihn und es war atemberaubend, ihm zuzusehen. Er hegt Pläne, in den MotoGP zurück zu kehren - als Fahrer-Coach.



Wir sind auf der Rennstrecke von Willow Springs, dem Endpunkt unseres Road Trips zu den American Legends. Unterwegs haben wir Kenny Roberts und Wayne Rainey in Kalifornien getroffen, Eddie Lawson in Arizona besucht und uns mit Freddie Spencer in Las Vegas unterhalten. Jetzt, zurück in Kalifornien, treffen wir auf den 500er-Champion von 1993, Kevin Schwantz.

Passenderweise ist Willow Springs der Ort, an dem für den Texaner alles begann. 1984, nur wenige Wochen nachdem Schwantz mit dem Straßenrennsport begonnen hatte, bekam er eine Testchance bei Yoshimura Suzuki auf genau dieser Rennstrecke. Der Rest ist Motorrad-Renngeschichte.



Willow ist ein öder Ort: keine Tribünen, eigentlich überhaupt nichts, außer einer Piste und ein paar alten Gebäuden. Schwantz ist hier als Fahrer-Coach für genau jenes Team, das ihn damals vor 26 Jahren verpflichtete. Er steht im Suzuki-Truck und schaut den Yoshimura-Fahrern Tommy Hayden (Nickys jüngerer Bruder) und Blake Young dabei zu, wie sie die Vorsaison-Tests auf ihren Suzuki GSX-R 1000 Superbikes abspulen.

Schwantz hilft Suzuki USA seit gut zehn Jahren und gab so Fahrern wie Mat Mladin oder Ben Spies Tipps und Erfahrungen eines Weltmeisters weiter. Jetzt soll ihn sein Trainer-Talent dieselbe Straße entlang führen, die er als Fahrer genommen hat, und ihn direkt in den MotoGP zurück bringen - übrigens nicht zwingend für Suzuki.

Schwantz möchte jungen Genies genau so helfen, wie King Kenny Roberts einst seinem Erzrivalen Wayne Rainey half und diesem so Anfang der 1990er-Jahre drei WM-Titel in der 500er-Klasse bescherte. Schwantz schaffte nur einen Titel in der Königsklasse. Aber er ist sich sicher, es hätten mehr sein können, wenn er damals einen solchen Guru an seiner Seite gehabt hätte. "Ich sah Kenny immer irgendwo an der Rennstrecke sitzen.

Er hockte dann an einer Stelle, an der ich schneller war als Wayne, um herauszufinden, was ich da machte. Das würde ich gern für ein paar junge Fahrer machen. Da ich selbst gefahren bin, weiß ich nur zu gut, wie schnell das geht, dass man an eine Strecke kommt, die einem überhaupt nicht liegt, auf der man schon im vorherigen Jahr ein mieses Ergebnis eingefahren hat, und völlig ohne Plan nun versucht, es irgendwie besser hinzubekommen. Da bleibt dir nichts anderes übrig, als so hart zu fahren, wie du nur kannst. Wenn Du aber jemanden an der Strecke hast, der dir sagt, Sag mal, was machst du denn da? und derjenige echt Ahnung hat - tja, das ist schon ein riesiger Vorteil", sieht Kevin Schwantz sein Potenzial.

"Aber ich würde es niemals so machen wie Kenny. Mich hat mal jemand gefragt, wie viele Titel ich wohl eingeheimst hätte, wenn ich für Honda oder Yamaha gefahren wäre. Nun ja, hätte ich eine Yamaha für Kenny pilotiert, wäre meine Karriere wohl ziemlich kurz ausgefallen, denn ich hätte ihm ziemlich schnell gesagt, dass er mich am Arsch lecken kann. Wenn ich Wayne besiegte, machte ihn Kenny immer zur Sau. Er brüllte dann immer rum: "Was machst du da eigentlich, du dämliches Arschloch." Hätte er das mit mir gemacht, hätte ich ihm sofort eine reingehauen."



Schwantz war schon immer ein direkter Typ, deshalb liebte ihn die Masse. Während Rainey und Lawson Runde für Runde so perfekt wie möglich fuhren, war Schwantz der wilde Hund, der immer auf Messers Schneide fuhr, innen rein rutschte und damit selbst die Strohballen an der Piste erschreckte. Er war allzu menschlich, keiner dieser Roboter. Deshalb gewann er auch mehr Grand Prix als Rainey - 25 Siege gegenüber 24 - aber auch nur einen Titel gegenüber Raineys Triple.

Schwantz bezahlte einen hohen Preis für seine Tollkühnheit, im Zweifel den Asphalt zu küssen. Und doch kam er besser davon als Wayne Rainey, der im Rollstuhl landete, und Mick Doohan, der von seinen bösen Verletzungen immer noch schwer hinkt. "Ich brach mir eine Menge Knochen, machte mir die Hände und Gelenke mehrfach kaputt. Ich hab mal versucht, alle Brüche zu zählen, aber das ist ganz schön schwierig. Es müssten so um die 40 oder 50 sein. 1988 in Assen habe ich mir sieben Zehen gebrochen, da haben wir schon mal sieben gleich zu Anfang."

Während der Saison 1994, seinem letzten vollen Jahr im GP, brach sich der Texaner zum dritten Mal die rechte Hand. Danach hätte er operiert werden und sich dann ausruhen sollen. Stattdessen fuhr er weiter Rennen - mit höllischen Schmerzen. "Ich brachte Doc Costa dazu, es schnell zu richten und fuhr weiter. Die Knochen verschoben sich bei jedem Rennen neu und am Sonntagabend ließ ich sie wieder gerade biegen. Ich gewann in Donington (sein letzter GP-Sieg), obwohl die Knochen mitten im Rennen wegschnappten. An diesem Abend lag ich bei Dr. Costa in der Clinica Mobile und zwei Typen hingen an meinem Arm, ein anderer fixierte meine Hand, und Costa stocherte mit seinen Daumen an meinem Handgelenk herum und drückte so die Knochen wieder in ihre Ausgangsposition. Der Boss von Lucky Strike kam herein, sah, was da passierte, und ging wortlos wieder raus. Als er mich später traf, sagte er: "Was immer wir dir für diesen Job bezahlen, es ist nicht genug." Hier für die Statistik: Schwantz verdiente auf dem Gipfel seiner GP-Karriere 330 000 US-Dollar pro Rennen.

Kevin Schwantz und seine GP-Zeitgenossen verwandten damals viel Zeit darauf, für sicherere Strecken zu kämpfen, weshalb solche Highspeed-Kurse mit Leitplanken wie Spa Francorchamps und der Salzburgring in den frühen 1990ern vom GP-Kalender verschwanden. Aber heute muss Schwantz zugeben, dass er gerade diese angsteinflößenden und wahnsinnig gefährlichen Strecken liebte. "Ich hab Spa und Co. genossen. Mann, stand ich auf diese verdammt schnellen Kurven. Ich hab 1989 in Spa die Pole ergattert und Wayne Gardner meinte: ,Ich hab keine Ahnung was zum Teufel Kevin dort macht, der scheint vor nichts Angst zu haben. Ich war einfach nicht reif genug, um diese allgegenwärtige Gefahr zu erkennen, doch deshalb erlaubten es mir diese Strecken, die anderen Jungs endlich mal abzuhängen. Suzuka war auch so. Die meisten Jungs raunten: ,Mist, diese Leitplanken da direkt an der Strecke in dieser 180-km/h-Kurve." Komischerweise offenbarte Rainey bei unserem Besuch genau die gleichen Vorlieben für die ganz gefährlichen Ecken. Racer sind offensichtlich ziemlich gut im Selbsttäuschen. Sie müssen sich ständig selbst überzeugen, dass sie größere Eier haben als die anderen.

Jeder Race-Fan weiß, dass Schwantz' GP-Jahre durch die bittere Rivalität zu Wayne Rainey bestimmt waren. In dem Moment, in dem Rainey querschnittsgelähmt wurde, am Höhepunkt ihrer Schlacht um den WM-Titel 1993, dachte Schwantz sofort ans Zusammenpacken. "Ich sagte Suzuki, dass ich mir schon im Klaren über meinen laufenden Vertrag für die nächste Saison bin. Aber ich könne ihnen wirklich erst sagen, ob ich fahren kann, wenn es 1994 zum ersten Grand Prix geht." Das Gespenst von Raineys Verletzung verfolgte Schwantz bis er mitten in der Saison 1995 schließlich aufgab - Monate, nachdem er bei Vorsaison-Tests so etwas wie eine brutale Ruhestandserleuchtung hatte. "In der Hayshed-Kurve auf Phillip Island ging mir das Vorderrad weg. Ich kullerte über die Strecke, lag schließlich still da und drehte mich um. Da machte es BUMM! Mein Motorrad schlug keinen Meter weit neben mir ein, fiel wie vom Himmel. Oh, dachte ich, was, wenn ich mich zur anderen Seite umgedreht hätte? Und da durchfuhr es mich wie ein Blitz: Was zum Teufel machst du hier? In Wirklichkeit brauchte ich nach Waynes Unfall glatte anderthalb Jahre, um zu kapieren, dass ich aufhören muss."



Als er diesen Schritt tat, war Schwantz klar, dass er weit vom Rennsport weg musste - wie ein Drogenabhängiger, der seinen Dope-Freundeskreis aufgeben muss, um seine Sucht zu überwinden. "Ich musste völlig abstinent sein, denn ich wusste, wenn ich hier weiter rumhänge, zieh ich mir früher oder später das Leder wieder über." Also fuhr er Autorennen in Australien. Nur um von den Motorrädern wegzukommen, nicht weil er in die Formel 1 wollte? "Nö, es ging mehr darum, mit den Kumpels rumzuhängen, Bräute aufzureißen, Bier zu trinken und einfach Spaß zu haben. Aber als ich das dann tat, merkte ich umso mehr, wie sehr ich Motorräder und den Rennsport liebte." Deshalb unterschrieb er 2000 den Fahrer-Coach-Vertrag bei Yoshimura.

Schwantz, jetzt 46 und immer noch Single, ist nach wie vor der überschwängliche Mensch, der er immer war. Immer unter Strom, ständig damit beschäftigt, Spaß zu haben, dauernd dabei, Leute mit Geschichten aus der guten alten Racing-Zeit, waghalsigen Abenteuern und Grand Prix-Innenansichten zu unterhalten. Aber er ist heute auch ein aktiver Geschäftsmann.

Tatsächlich ist er der geschäftigste Mann unter unseren fünf American-Legends-Racern. Was eigentlich überrascht, denn wenn wir damals hätten wetten müssen, wer sein Rentenalter einmal damit verbringt, es sich gutgehen zu lassen und mit Spielzeug für große Jungs herumzumachen, hätte jeder sofort auf Schwantz getippt. Jetzt am Ende unserer Reise wissen wir, dass Eddie Lawson, der superprofessionelle vierfache Weltmeister der 1980er-Jahre, als einziger dieses legere Leben führt und sich fast ausnahmslos mit Go-Karts, Rennbooten, Motocross und Jet-Skis beschäftigt. "Ich bin sorgsam mit meiner Kohle umgegangen und könnte mich eigentlich zurücklehnen und nichts tun. Aber ich würde verrückt werden", lacht Schwantz. "Wenn ich mal zwei Wochen zuhause sitze, werde ich unruhig und über-lege schon, wo es als nächstes hingeht."

Schwantz? MotoGP-Königsmacher-Ambitionen sind nur ein Teil seines Geschäftsfeldes. Er führt eine sehr erfolgreiche Racing-School im Barber Motorsports Park (und hat unlängst die Fireblades von Freddie Spencers Pleite gegangener Racing-School übernommen), arbeitet für den Red-Bull-Rookies-Cup und - das birgt eine gewisse Ironie bei einem der Crash-Könige unter den Weltmeistern - arbeitet an Sicherheitsprogrammen. "Ich arbeite für den Motorrad-Sicherheits-Verband und trainiere Soldaten, die vom Dienst aus Übersee zurück kommen. Die steigen nämlich hier auf ihre Motorräder und rennen sich reihen-weise den Schädel ein. Sie fühlen sich unverwundbar, nachdem sie jahrelang Taliban-Geballer überstanden haben und auf dem Motorrad kein Granatfeuer hören."

Schwantz ist nicht nur der aktivste der amerikanischen Ex-Champs, er ist auch der einzige, der noch Rennen fährt. Vergangenes Jahr fuhr er in Neuseeland ein Rennen auf einer Norton Manx, aber dieses Jahr lehnte er die Offerte ab, bei einem Rennen der Classic Superbike-Serie auf Phillip Island mitzumachen: "Da fahren Jungs wie Gardner, Magee, Phillis und Mal Campbell. Die bohren nicht in der Nase. Ich bin mir nicht sicher, ob ich für Mach zwei oder drei schon wieder bereit bin."

Schließlich traut er sich selbst nicht über den Weg: "Als ich mit der Norton Manx losgelegt habe und in der ersten Kurve gleich außen vorbei bin, hatte ich diesen wahnsinnigen Slide. Ich dachte, Mann, was verdammt nochmal machst du denn schon wieder? Wenn ich es ernst nehme, bekommt der Wagemut womöglich wieder die Oberhand - fucking scary!"

Während er also den Racer im Zaum zu halten versucht, der offensichtlich noch immer in ihm schlummert, ist Schwantz auf der Suche nach einem jungen Kerl, der genauso tickt, wie er einst. Ein Psychoanalytiker hätte dazu zweifellos einiges zu sagen. "Ideal wäre einer, der so große Motivation und unbändigen Willen hätte, dass du ihm beibringen musst, ruhiger zu werden." Das klingt, als bereue Schwantz, ein schneller aber zerbrechlicher Racer gewesen zu sein. Das verneint er entschieden. "Wenn mich einer fragt, ob ich irgendetwas bereue, dann sage ich, okay, in ein paar Situationen hätte ich schlauer sein können, aber so, wie ich heute vor dir stehe, würde ich alles ziemlich genau so noch einmal machen." Und das, da ist kein Zweifel möglich, würden sich die Fans genau so von ihm wünschen.

20.07.2010 Von: Mat Oxley


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Ar-one
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RE: American Express 1988-1993

#2 von Ar-one , 05.02.2011 21:10

Wayne Rainey



Als Sohn des begeisterten Motorsportlers Sandy Rainey und dessen Frau Illa wurde Wayne Rainey am 23. Oktober 1960 in Downey, einem Vorort von Los Angeles, geboren. Seine Schwester Reene und sein Bruder Rodney vervollständigten später die Familie. So war es geradezu selbstverständlich, dass Wayne schon im Alter von 6 Jahren ein Minibike besaß. Wie in vielen anderen Motorsport begeisterten Familien in den USA begann auch Wayne sehr jung, mit neun, aktiv Motorsport zu betreiben.
Das begann zuerst mit Minibike Rennen, bei denen er unglaublich erfolgreich war.

Nicht zuletzt Dank seines Vaters Sandy, der nicht nur ein hervorragender Techniker war, sondern auch das Reglement auswendig kannte und es zu ihren Gunsten nutzen konnte. Oft wurde in dieser Zeit an vier oder fünf Tagen in der Woche irgendwo in der Umgebung ein ?wildes? Rennen gefahren. Die Raineys konnten einfach nicht genug bekommen.

Als Wayne 11 Jahre alt war, begegnete er zum ersten Mal seinem um 2 Jahre älteren Landsmann Eddie Lawson, einem 13 Jährigen Nachwuchs Fahrer der Dirt Track Szene aus der Umgebung von Los Angeles. Lawson hatte als einziger eine Chrom glänzende, funkelnde Stahlplatte am linken Schuh, die beim Fahren Funken sprühte, und trotz seiner Jugend das unnahbare Auftreten eines Superstars. Wayne ging einfach schnurstracks auf Lawson zu und fragte ihn, wo er diese glänzende Stahlplatte her hätte, wo auch er so etwas bekommen könne.

Keiner der beiden Jungs hätte sich damals wohl träumen lassen, welche Karrieren noch vor ihnen lagen. Dass ihre Wege nicht weit voneinander entfernt verlaufen würden sah man aber schon bald daran, das Sandy Rainey dem ungewöhnlich talentierten Eddie Ratschläge für die Vorbereitung des Motorrades gab und ihm auch bei Bedarf Mental zur Seite stand. Sie redeten damals schon sehr viel miteinander. Der Zufall wollte es, dass Eddie und Wayne, auch bedingt durch den Altersunterschied, kaum je ernsthafte Konkurrenten wurden und daher kaum so etwas wie Herrschaftsstreit oder Neid aufkommen konnte.

So konnte sich über viele Jahre eine für den Motorsport sehr ungewöhnliche Freundschaft entwickeln. Eddie Lawson sagte später: ? Wayne war immer genau einen Schritt hinter mir. Er hatte mich immer genau dann eingeholt, wenn ich in die nächste Klasse aufstieg. Das begann am Trojan Speedway in Long Beach und endete in der 500cm³ Motorrad Weltmeisterschaft. Es gab keinen Platz, um sich vor ihm zu verstecken. Immer war er hinter mir?.

Den wilden Minibike Rennen jener Jahre folgten Dirt Track Rennen auf Club Ebene, bei denen es erstmals um AMA Punkte für die Nachwuchs Klassen ging.. Gefahren wurde mit einer hubraum- und leistungsmäßig unterlegenen Suzuki. Als zwei seiner Kollegen bei Rennen nach einem Sturz vom nachfolgenden Feld überfahren wurden und starben, wurde Wayne auch erstmals mit den echten Gefahren des Rennsports konfrontiert. In dieser Zeit verbrachten Wayne und seine Freunde nach der Schule beinahe ihre gesamte Freizeit auf den Motorrädern. Klar, was sollten sie machen, wenn doch nur einmal die Woche ein Rennen in der Umgebung stattfand und die Jungs heiß aufs Fahren waren. Die restliche Zeit wurde eben auf Schotterpisten nahe des Riverside Raceway oder auf den Parkplätzen, zum Training benutzt. Oft stundenlang, bis das Benzin ausging.

Der Nutzen dieser täglichen, stundenlangen Trainingsfahrten blieb allerdings mehr als bescheiden. Fahrkönnen hatte Wayne in der Tat ein ausgezeichnetes, in vielen Rennen führte er auch. Bis die Suzuki verreckte, und das tat sie regelmäßig. Seine Freunde und Lawson sammelten Punkte und stiegen in die höheren Klassen auf, während Waynes Karriere sich im Kreise drehte. Dann zogen die Raineys Bilanz.
Wayne fuhr in einem AMA (Amerikanische Rennsport Vereinigung) Bezirk (von drei in Kalifornien), bei dessen Rennen immer die gleichen 25 Fahrer gegeneinander antraten. Der Konkurrenzdruck war gering, alle kannten sich gut. Im Norden traten die Fahrer bei fünf Rennen zu je 25 Mann an, um sich nur für das Semifinale zu qualifizieren.

Das konnte man Konkurrenz nennen! Das Motorrad, die Suzuki, war, obwohl aufgebohrt und getunt bis zum Exzess, ein unbrauchbarer Eisenhaufen, der gegen die Yamaha der Konkurrenz keinerlei Chance hatte, mit dem Wayne noch nie eine Zielflagge gesehen hatte. Also begannen Vater Sandy und Sohn Wayne die Situation rituell zu bereinigen. Sie zündeten die Karre an und vergruben sie im Wüstensand, auf das die Seele dieser Kiste gen Himmel steigen möge. Dann wurde eine Yamaha gekauft, inklusive Teile und Zubehör, und in den Norden Kaliforniens gefahren, wo die Gegner zahlreich waren und von Wayne noch nie jemand etwas hörte.

Das erste Rennen dieses neuen Abschnittes fand in Tulare, zwischen Fresno und Bakersfield statt. Wayne war ganze 15 Jahre alt. An seiner Yamaha prangte die Nummer 82, schwarz auf weißem Untergrund, wie an einer Profi Maschine. Wayne gewann beide Läufe überlegen. Dann folgte die berühmte 1/2 Mile in San Jose. Wayne kannte diese Strecke nur vom Hören Sagen und von seinen Vorbildern. Nun gewann er das Rennen und alle fragten sich, ?Wer zum Teufel ist dieser Wayne Rainey?? Diese Frage wurde schon am nächsten Abend beim Short Track Rennen in Oakdale, auf der anderen Seite der San Francisco Bucht, auf ganz spezielle Art und Weise beantwortet.
Der Platzsprecher hatte sich beim Fragen nach der Herkunft verhört und konnte mit ?Norwalk? und ?Rainey? nichts anfangen, reimte sich dann, nach Kenntnisnahme der letzten Siege Waynes und dem Rennverlauf des Abends, selber etwas zusammen und kündigte am Siegerpodest den Kalifornischen Blondschopf mit den begeisterten Worten an: ??der unglaublich schnelle junge Mann mit dem Kämpferherz eines Löwen, der nach einem Ausfall im Finallauf von ganz hinten startete und alle niederkämpfte, bis zum Sieg. Der Mann, der aus Norwegen extra zu uns kam. Es muß der Norwegische Meister seien, wenn man in fahren sah. Herzlichen Glückwunsch und einen großen Applaus für Wayne Rainey aus Norwegen ?!! Fehlte nur noch, ?wo immer das sein mag?.

Mit diesen Siegen als ?Niemand? im Norden Kaliforniens hatte sich Wayne Feinde gemacht. Klar, wer ließ sich schon gerne im Motorsport besiegen? Hilfe durfte sich die Rainys von niemandem erwarten, auch wenn sie noch so notwendig gewesen wäre. Oder doch?

Ein Mann aus Modesto, der den amerikanischen Motorrad Rennsport auf Sand wie auf Asphalt beherrschte wie kein anderer und steil auf dem Weg zur Weltspitze war, begann zuerst durch seine Vorbild Funktion, später auch aktiv in der Karriere Waynes eine wichtige Rolle zu spielen ? Kenny Roberts.

Roberts war Yamaha Werksfahrer, seine Dirt Track Maschinen wurden vom berühmten ?Shell Racing Team? des Motorradhändlers Sheldon ?Shell? Thuet vorbereitet. Waynes Ziel war ein Vertrag bei Thuet.
Mit sechzehn Jahren fuhr er seine Yamaha mit von Shell Racing gekauften Teilen und wurde auch sporadisch von Thuet unterstützt. Nun war er Profi und auf dem Weg, seinen Traum vom Grand National Titel zu verwirklichen. Sein erster Profi Einsatz war in Ascot. Ein Wochenende mit acht Rennen, die er alle gewann. In diesem Jahr sah er auch die Daytona Rennen mit den Superstars Roberts, Cecotto, Sheene, Nixon und wie sie alle hießen, die mit ihren superschnellen Formel 750 Maschinen gegeneinander fuhren. Diese starken und schnellen Motorräder reizten Wayne allerdings in keiner Weise. Er blieb damals lieber ein reiner Dirt Track Fahrer.

Er fuhr Rennen in der gesamten USA, von South Dakota über Florida bis Texas, in allen Bundesstaaten, in denen die Rennen zur Grand National Serie stattfanden. Sein Reisegefährte auf diesen langen Strecken war niemand geringerer als Eddie Lawson, der die gleiche Rennserie wie Wayne fuhr, nur eine Klasse höher. Immer wieder blieb Wayne irgendwo hängen, um ein außertourliches Rennen zum erhöhen der Reisekasse zu fahren. Es war ein Leben, das ihm gefiel. 52 Rennen kamen so im Jahr zusammen, wovon er 50 gewann!

Bis dahin hatte er alle Rennen auf 2Takt Maschinen bestritten, während Lawson, eine Stufe höher bei den Professional Experts, die Rennen auf der großen 750cm³ Thuet Yamaha bestritt. Lawson ließ Rainey bei einem Training in Corona seine 4Takt Maschine fahren. Er bläute ihm ein, nicht das Motorrad zu zerstören oder sich gar selber zu verletzten und damit seine Karriere zu gefährden. Der Rekordhalter auf dieser Strecke war Eddie Lawson selber. Schon nach der ersten Testfahrt was Wayne zur Überraschung aller schneller. Die Zeit der 2Takt Rennen ging zu Ende. Nach unglaublich vielen Siegen und Podestplätzen wartete die höchste Klasse. Das ?Erwachsenen Dasein? bei den Professional Experts, den erfahrenen alten Profis mit den großen Werks- 4Taktern bei den Halb Meilen und Meilen Rennen begann.

Sein erstes Grand National Rennen war im Meilen Oval des Houston Astrodome. Wayne schaffte es bis ins Finale und wurde achter. Noch nie in seinem Leben war er nach einem Rennen so müde wie an jenem Tag in Texas. Bisher hatten die Läufe wenige Minuten gedauert bis zur Flagge, nun dauerte das Finale 25 Runden lang. Schon nach zehn Runden war Wayne so fertig, dass er nicht mehr wusste, wie er ins Ziel kommen sollte. Shell Thuet hatte Sandy Rainey klargemacht, dass er zwar die Motorräder für Wayne vorbereiten durfte, ?der Junge fährt aber für mich, ist das klar?, gab Thuet zu verstehen.
So hielt sich Sandy so weit es ging heraus. Aus Sparsamkeit wurde Wayne, im Gegensatz zu Lawson im letzten Jahr, auch nicht von Thuet begleitet. So war Wayne zum ersten Mal in seinem Leben auf sich alleine gestellt und musste sich um alles selber kümmern. Am Ende des Jahres passierte dann sein erster schwere Unfall. Wayne wollte unbedingt ein Rennen auf der San Jose Meile fahren. Obwohl seine Motorräder nicht mehr einsatzbereit waren, fand er jemand, der ihm ein Motorrad borgte. Eine Harley, die er nie zuvor gefahren war. Noch dazu hatte er seine Stiefel und seinen Stahl Schuh daheim vergessen und musste auch diesen ausleihen. Ein schlechtes Omen.

Die Qualifikation schaffte er als zehnter und stand im Finale. In diesem fuhren die Fahrer im Pulk mit etwa 120 Meilen pro Stunde zur Kurve nach der langen Geraden, und der vor ihm liegende Fahrer stürzte. Wayne versuchte alles, um auszuweichen, wurde aber vom schleudernden Motorrad im hohen Bogen abgeworfen. Erstmals erlebte er, dass auch er in seinem geliebten Sport schwer verletzt werden konnte. Zwei gebrochene Rückenwirbel und Herzrhythmusstörungen durch den schweren Aufprall setzten ihn über ein Monat außer Gefecht.

Nachdem er wieder genesen war, stand fest, mit einer Yamaha würde er niemals ein Grand National Rennen gewinnen. Das konnte man zu dieser Zeit scheinbar nur mit einer Harley. Allerdings musste Wayne nach seinem schweren Unfall, der sehr an seine Psyche gekratzt hatte, feststellen, dass er unter diesen Umständen auch mit einer Harley XR 750 kein Rennen gewinnen konnte.

Es war zwar die lustigste Zeit seines Lebens. Wayne und sein Freund Itchi zogen mit einem Dodge Van kreuz und quer durch die USA und fuhren Halbmeile und Meile mit der großen Harley, Short Track mit einer kleinen Kawasaki, wo immer diese statt fanden. Geld hatten sie allerdings nie, den bei den Grand Nationals konnte nur der Sieger gut verdienen. 500$ pro Sieg. Mit sechsten bis zehnten Plätzen konnte man gerade noch das Benzin bezahlen und bei McDonalds essen. Große Sponsor drehten einem den Rücken zu, geschlafen wurde im Bus. Selbst wenn Wayne bei den Rennen seine Läufe gewann, im Finale war er spätestens nach 10 Runden am Ende. Er war zu dieser Zeit ein brillanter Fahrer, hatte aber nicht die geringste Lust, körperlich zu trainieren. Seine körperliche Fitness kam vom Fahren, nicht von Fitness Training, und war daher sehr beschränkt.
Seit seinem Unfall am Ende des ersten Profi Jahres waren zwei Jahre vergangen. Kein einziges Rennen hatte er besser als an achter Stelle beendet, wenn auch manchmal durch unglaubliches Pech. Die große Harley, mit der alle anderen gewinnen konnten, brachte ihm kein Glück. Die kleine Kawasaki für die Short Track Rennen war eigentlich nur ein Spaßgerät. Zwar war sie vor zwei Jahren vom US- Importeur auf Empfehlung von Eddie Lawson gestellt worden und kostete nichts, man konnte damit aber, außer Spaß, auch nicht viel gewinnen. Gute Plazierungen mit der ?Kleinen? schaffte Wayne aber immer wieder. Nun sollte diese kleine Kawasaki die Verbindung zur erfolgreichen Zukunft werden.

1980 fanden die ersten Kontakte mit dem Straßen Rennsport statt. Am Dirt Track erfolglos geworden, gab man ihm bei Kawasaki eine GPZ550 und eine GPZ750, um damit Klubsport Rennen zu fahren. Wayne gewann damit 15 von 16 Rennen und hielt alle Rundenrekorde. Hier erhielt er wieder die Zuneigung der Fans und hatte das Erfolgserlebnis, das er in seiner Jugend so liebte. Dirt Track Rennen begannen uninteressant zu werden. Zwar waren diese Klub Rennen weit unter seiner fahrerischen Klasse angesiedelt, aber Wayne war glücklich, wieder Erfolg zu erleben. Auch wenn es nur größere Hobby Rennen waren, bei denen es pro Wochenende nur 300$ zu gewinnen gab. Es war doch mehr Preisgeld, als er, mangels Erfolge, in der Profi Liga gewann!

Dave Dawey, Teamchef eines Kawasaki Superbike Teams, empfahl Rainey als zweiten Mann neben Eddie Lawson ins Team Kawasaki. Der erste Test fand am 21. Juni 1981 in Loudon, New Hampshire, auf einem alten 250er Kawasaki Produktion Racer von Eddie Lawson statt. Es war zwar ?nur? ein Nachwuchs Rennen, aber der unerfahrene Rainey zeigte sein Talent. Es war sein erstes Rennen auf einem echten 2Takt Straßen Rennmotorrad, noch dazu war es sein erstes Regen Rennen und er trug sein altes, abgewetztes Dirt Track Leder. Aber er gewann!

Nun lag es an Kawasaki Sportchef Gary Mathers, zu entscheiden, ob der in den letzten Jahren erfolglose Rainey eine Chance bekommen sollte. Und er bekam sie. Mathers war davon überzeugt, dass Dirt Track Fahrer, wenn sie in den Straßenrennsport wechselten, die besseren Rennfahrer waren. Das hatte Kenny Roberts bewiesen, und auch Eddie Lawson hatte ihn bereits davon überzeugt.

Nun sollte Wayne Rainey die Kawasaki Mannschaft verstärken. Er sollte 1982 die AMA Superbike Klasse fahren.



Rainey traf nach den frühen Dirt Track Rennen nun wieder auf einen alten Bekannten, auf Eddie Lawson. Diesmal sollte er nicht nur Konkurrent des amtierenden AMA Superbike Meisters sein, sondern sogar sein Teamkollege. So war das in ihrer Karriere noch nie vorgekommen. In Wayns Karriere war auch noch nie vorgekommen, dass sein Teamkollege schneller war als er. Diesmal war es so. Es sollte nicht das letzte Mal gewesen sein, dass sich die Wege der beiden Kalifornier im gleichen Team kreuzten.

Zuerst einmal hatte Wayne allerdings ein anderes Problem. So einen Vertrag wie diesen hatte er in seinem Leben noch nie gehabt. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er Geld. Viel Geld. 25 000$ im Jahr, Gratis Flüge zu den Rennen. Flüge! Keine Fahrten mit einem alten Bus! Einen Leihwagen bei jeder Rennstrecke, ein bezahltes Hotelzimmer, das Essen kostete auch nichts! So etwas hatte Wayne zwar schon gehört, aber noch nie erlebt. Jetzt war das alles Wirklichkeit geworden.

1982 zeigte Rainey bereits beim ersten Saisonrennen in Daytona mit einem fünften Platz, wie gut er war. Drei dritte Plätze bei den darauf folgenden Rennen bestätigten, dass Kawasaki einen schnellen Mann unter Vertrag genommen hatte. Am 19. Juni siegte Rainey erstmals in der Superbike Klasse. Wieder, wie beim Sieg auf der 2Takt Kawasaki, in Loudon. Zum ersten Mal hatte er den Meister Eddie Lawson geschlagen.

Diesem Sieg war ein längeres Telefonat mit Kenny Roberts vorangegangen, eingefädelt von seinem Mechaniker Sparky Edmonston, einem ex. Schrauber des King. Kenny erklärte ihm einige Feinheiten beim Bewegen eines so schweren Motorrades, und Wayne setzte es nächsten Tag in einen Sieg um. Das telefonieren alleine nicht unbedingt zum Sieg führt, das sollte sich im darauf folgendem Rennen in Laguna Seca zeigen. Rainey stürzte an diesem Wochenende drei Mal. In seinem ersten Jahr in der Superbike Klasse wurde er dritter hinter dem alten und neuen Meister Eddie Lawson und dem Hondafahrer Mike Baldwin.

1983. Ohne Lawson, der in die 500cm³ Weltmeisterschaft gewechselt war, gab es kein Halten mehr. Nach einer Reglementänderung mit 750cm³ Motorrädern anstatt 1000ern ausgerüstet, gewann Rainey sechs Saisonrennen und krönte sich vor Mike Baldwin zum AMA Superbike Meister. Damit war vorerst der Höhepunkt in seiner Karriere erreicht. Zwei Tage nach dem Ende der Saison erreichte ihn ein Anruf der Kawasaki Teamleitung. Eine Hiobsbotschaft.
Nachdem die Verkaufszahlen der Motorräder stark gesunken waren und in der gesamten Wirtschaft der USA Flaute herrschte, zog sich Kawasaki mit sofortiger Wirkung aus der AMA Superbike Klasse zurück. Der regierende Meister stand, ebenso wie alle Team Mitglieder, wie viele Amerikaner zu dieser Zeit, arbeitslos da.

In der Person des 3fachen Ex-Weltmeisters Kenny Roberts nahte die Rettung. Erstmals trafen sich Roberts und Rainey im Herbst des Vorjahres zu einer von Roberts organisierten, ziemlich wilden Camping Tour mit Motorrädern. Roberts wollte den jungen Wayne kennen lernen. Es war dem jungen Wayne nicht ganz geheuer, mit dem Weltmeister und Superstar in der Wildnis Kaliforniens herumzufahren, sich mit ihm zu unterhalten und zu saufen. Aber so lernten sie sich kennen.

Roberts ermöglichte es ihm, die Saison mit einer 250cm³ Yamaha in der Weltmeisterschaft zu bestreiten. Sein Teamkollege sollte der junge Brite Alan Carter sein, der jüngste GP Sieger der damaligen Zeit. Wirklich glücklich verlief dieses Jahr nicht für ihn. Mit der sehr serienmäßigen Maschine mühte sich Wayne ab, so gut es ging. Der dritte Platz, gleich beim zweiten Rennen in Italien, und einige andere gute Plazierungen waren auch recht zufriedenstellend. Aber trotz des achten Gesamtplatzes in der 250er WM kehrte er sehr unglücklich in die USA zurück.
1985 fuhr er für MacLean Racing in der AMA Formula One (Honda RS500cm³) und Formula 2 (Honda 250cm³). Auch hier quälte er sich durch die Saison. Er fuhr einige Siege in den beiden Klassen ein, beendete die Meisterschaften jedoch nur auf den Plätzen acht in der großen und drei in der kleinen Klasse.

1986 unterschrieb Wayne wieder bei diesem Team, diesmal für die Klassen AMA Superbike und Formel 1. Zwar bekam er fürs gleiche Geld wie bei Honda von Roberts die Möglichkeit geboten, in dessen Lucky Stricke Yamaha Team zu wechseln, die Enttäuschung des Jahres 84 hatte er allerdings noch nicht verdaut. Für einen Kampf gegen Spencer und Lawson fühlte er sich auch noch nicht bereit. Dieses Jahr sollte wieder erfolgreich werden. Er gewann sechs der neun Rennen in der Superbike Klasse. Da er jedoch beim Rennen in Mid-Ohio stürzte, wurde er hinter seinem Teamkollegen Fred Merkl nur zweiter der Meisterschaft, da dieser alle Rennen der Saison beendet hatte und somit mehr Punkte auf sein Konto sammelte.



1987 sollte es zu einem denkwürdigen Duell in der AMA Superbike Klasse kommen. Wayne auf der Honda VFR750R und Kevin Schwantz aus Texas auf der neuen Öl gekühlten Suzuki GSXR750R. Fred Merkl, bei Honda ausgebootet, war auf einer privaten VFR750R unterwegs.

Kevin Schwantz und Wayne Rainey bekämpften sich das ganze Jahr über erbittert. Das hatte nicht nur sportlich ehrgeizige Hintergründe. Fred Merkl hasste Wayne dafür, dass er bei Honda scheinbar ins gemachte Nest stieg und ihn, den 2fachen Meister, hinaus drängte. Wayne hasste Kevin, weil dieser (scheinbar) alles von seinen Eltern bekam und außerdem noch ein guter Freund von Fred Merkl war, der ihn hasste. Kevin mochte Wayne nicht, weil im dieser offen zeigte, dass er ihn verachtete und außerdem, weil Wayne Merkl hasste. Wahrlich nicht ganz unkompliziert.

Diese Feindschaft wurde nicht nur auf der Strecke ausgefochten, auch im Fahrerlager und in der Presse wurden die Schlachten weitergeführt. Am schlimmsten war es in England, bei den Match Races USA gegen England. Auch dort hörte der Krieg nicht auf. Egal, welche Taktik sich das Team aus Amerika auch zurechtgelegt hatten ? es ging immerhin um einen Betrag von 100 000 Britischen Pfund für das Siegreiche Team ? wenn Schwantz und Rainey aufeinander trafen, waren die anderen Fahrer vergessen und es wurde gefahren, dass die Fetzen flogen. Oft genug im wahrsten Sinne des Wortes. Oftmals bezichtigten sie sich gegenseitig, den anderen auf der Strecke in Lebensgefahr gebracht zu haben. Was auch stimmte! Die Rivalität hatte gefährliche Dimensionen angenommen. Schwantz gewann fünf der neun Rennen zur Superbike Meisterschaft, aber Rainey sammelte die meisten Punkte. Der Meister hieß Wayne Rainey.

1988 kehrte Rainey zum Team Roberts in die Weltmeisterschaft zurück. Diesmal jedoch in die Königsklasse. Roberts hatte immer wieder
gebohrt und angerufen. Am Ende der letzten Saison fühlte sich Wayne bereit für die 500cm³ WM und sagte zu. Er zog mit seiner jungen Frau Shea zur Ranch von Kenny Roberts, um dort für die nächsten zwei Monate trainieren zu können, und zwar täglich. Er brachte sich in die beste Form seines Lebens und fuhr mit jedem Motorrad gegen jeden, der sich ihm stellte. Egal, ob das Roberts, sein Teamkollege Kevin Magee oder sein bester Freund, der 3fache Grand National Meister Bubba Shobert war, er fuhr mit und gegen jeden.

Er wusste, dieses Jahr würde seine Zukunft entscheiden. Er bekam so viel Geld wie noch nie zuvor in seinem Leben. Shoei bezahlte 60 000$ für das Tragen des Helmes, 50 000$ von Dainese, 400 000$ bezahlte ihm Roberts für das Fahren der Yamaha und 200 000$ warteten als Bonus bei Gewinn des Titels. Eine halbe Million Dollar verdiente er also schon, ohne auch nur auf dem Motorrad gesessen zu sein. Diese Chance wollte er sich unter keinen Umständen entgehen lassen. 600 Reifen hatten er und sein Kollege bei Tests in Brasilien und Australien auszusortieren, Teile zu testen und Einstellungen auszuprobieren. Sie fuhren schon vor dem ersten Rennen mehrere GP Distanzen. Wayne war mit seinem Motorrad bestens vertraut.

Gleich beim ersten Rennen in Japan belegte Rainey einen guten 6. Platz. Es folgten 4. in den USA, 6. in Spanien, der erste Podestplatz als 2. in Portugal, 3. in Italien, 2. in Deutschland, 3. in Österreich, 7. in den Niederlanden. Dann 5. ? 3. ? 5. in Belgien, Yugoslawien und Frankreich. In Donington Park in England errang Wayne Rainey seinen ersten Sieg. Ein weiterer 5. Platz in Schweden und ein 3. in Brünn bei einem Ausfall in Brasilien sicherte ihm in seiner ersten 500er WM Saison den dritten Gesamtrang. Wayne Rainey hatte sich in seiner ersten Saison als Top Fahrer etabliert.

1989 sollte noch erfolgreicher werden. Drei Siege, je einer in den USA, Deutschland und den Niederlanden, vier 2. Plätze sowie sechs 3. Plätze bei zwei Ausfällen in Italien und Schweden ließen ihn bei allen zu Ende gefahrenen Rennen auf dem Podium stehen. Allerdings machte sich hier erstmals der Druck der Weltmeisterschaft bemerkbar. Das normalerweise freundschaftliche Verhältnis zu Eddie Lawson kühlte merklich ab. Beide sprachen das ganze Jahr über nur einmal miteinander, in Salzburg.



Dort beschwerte sich Lawson über die Art, wie er von Wayne in der Fahrerlager Kurve überholt wurde. Lawson bekam den immer stärker werdenden Rainey deutlich zu spüren. Allerdings unterlief dem blonden Amerikaner auch ein Fehler, der ihm den Titel kostete. Er stürzte völlig sinnlos im Schwedischen Andertorp. Am Jahresende war Rainey zweiter hinter dem nunmehr 4fachen Weltmeister Eddie Lawson und vor dem französischen Haudegen Christian Sarron.

1990 erfolgte der endgültige Durchbruch an die Weltspitze. Lawson war von Honda zu Yamaha zurückgekehrt. Sein altes Yamaha Marlboro Agostini Team, mit dem er drei Titel gewann, existierte nicht mehr. Marlboro hatte beschlossen, Ago nicht mehr zu unterstützen (man warf ihm schwere Management Fehler vor, wie beispielsweise das erfolglose, aber teure Engagement Spencers), sondern die Gelder zu Roberts zu transferieren. Das Team Roberts (ehemals Lucky Strike) war nun das offizielle Yamaha Werksteam. Roberts erhielt nun auch die besseren Michelin Reifen, auf Druck von Marlboro, und die beiden alten Bekannten Rainey und Lawson waren wieder einmal Teamkollegen.



Diesmal war allerdings Wayne der Team Leader, Lawson sollte der Nr.2 Fahrer sein. Eigentlich unvorstellbar, wie das über die Saison gut gehen sollte. Rainey zeigte sich von Anfang an nicht sonderlich beeindruckt von seiner Rolle als WM Favorit und ging die Saison ganz locker und konzentriert an. Die internen Machtkämpfe blieben ihnen allerdings erspart, da Lawson beim zweiten Rennen in Laguna Seca durch ein Bremsversagen (die Beläge waren aus dem Bremssattel gefallen!) zu Sturz kam und sich eine Ferse brach, was ihn für mehrere Monate außer Gefecht setzte. Die ersten beiden Rennen in Japan und den USA gewann Rainey. Es folgten fünf weitere Siege in Italien, Yugoslawien, Belgien, Schweden und Brünn sowie fünf 2. und zwei 3. Plätze, bei einem Ausfall in Ungarn.

Wayne hatte seinen bei Suzuki fahrenden verhassten Gegner Kevin Schwanz einfach fahrerisch zerstört. In Brünn brauchte er nur quasi in Sichtweite von Schwantz ins Ziel zu kommen, und der Titel war im sicher. Es kam ganz anders. Schwantz stürzte in der dritten Runde, Rainey gewann das Rennen. Er war Weltmeister.

1991 ? Der alte König der Motorrad WM, Eddie Lawson, hatte endgültig dem neuen König Platz gemacht und war zu Cagiva gewechselt (Für eine fürstliche Gage, die die Castiglioni Brüder dafür bezahlen mussten). Eddie fühlte sich nicht mehr richtig betreut, sprach von Benachteiligung. In Wahrheit wollte er sich aber eine Zeit lang nicht eingestehen, dass ihn erstmals der jüngere Wayne nicht nur eingeholt, sondern sogar überholt hatte. Für einen großen Champion ist es sicher sehr schwer, sich selber einzugestehen, dass da ein schnellerer Mann gekommen war, der nun die Nummer eins sein sollte.

Die gesamte Armada der Yamaha Ingenieure stand nun hinter Wayne Rainey. Und wie sie hinter ihm standen. Wayne trug das gesamte Team zu Leistungen, von denen sie zuvor nur geträumt hatten. Man darf nicht vergessen, das Team Yamaha wurde noch 1989 von Agostini geleitet. Roberts Lucky Stricke Team war nur ein Satelliten Team und hatte jetzt, Dank Rainey, den Titel geholt.

Im 250cm³ Weltmeister von 1990, John Kocinski, hatte Wayne nun einen neuen Teamkollegen bekommen. Wayne schien der überlegene Mann auf dem überlegenen Motorrad zu sein, dabei handelte es sich einfach um eine perfekte Kombination aus allem. Das Motorrad war nicht das schnellste, aber leicht zu fahren. Die Mannschaft machte keine Fehler. Wayne konnte sich auf sie verlassen, genauso, wie sich die Mannschaft auf ihn verlassen konnte. Roberts war die Henne, die die Küken zusammenhielt und dafür sorgte, dass genug Futter, sprich Geld, und das richtige Material zur Verfügung stand. Das Team Roberts war zu dieser Zeit eine nahezu perfekt funktionierende Renn Maschinerie.

Rainey hatte sich allerdings, so nebenbei, von seinem Chef Roberts breitschlagen lassen, für die Zukunft Amerikanischer Rennfahrer gemeinsam mit ihm etwas auf die Beine zu stellen. Kenny drückte Wayne sozusagen ein 250cm³ Junior Team aufs Auge und setzte ihm, ganz uneigennützig natürlich, seinen Sohn Kenny Junior sowie den jungen Alan Scott ins Nest. Sehr rasch musste Wayne feststellen, dass dies so nicht laufen würde. Die Belastung wurde zu groß. So erinnerte er sich eines Mannes, der für junge Rennfahrer genau die richtige Leitfigur sein würde. Sein Vater, Sandy Rainey, war der richtige Mann für diesen Job. So hatte das 250er Team einen technisch und menschlich versierten Mann, der genau wusste, wie man mit dem Nachwuchs umgeht, und Sandy verdiente zum ersten Mal in seinem Leben mit der Rennerei auch Geld. Wayne hatte damit den Kopf frei für den Teamkollegen.

John Kocinski ließ keinen Zweifel aufkommen, dass er nun der federführende Mann im Team sein wollte. Was dem Weltmeister doch ein wenig mehr Reaktion abverlangte, als nur die Augenbrauen zu heben. So begann das von Wayne über Jahre gut ausgeklügelte Spiel von vorne. Ganz egal, worum es ging, John wurde von Wayne immer in den Hintergrund gespielt. Jede gefahrene Runde sollte schneller sein als die des Kollegen, egal ob bei Tests oder beim Training auf Kennys Ranch.

Jede Aussage sollte präziser sein als die des anderen. Die Techniker vertrauten ihm, nicht dem jungen Mann, der zwar zweifellos sehr schnell war, aber ein absoluter Einzelgänger, der niemanden in seine Karten schauen ließ. John war kein Teamplayer, und das war gefährlich. Wayne Rainey wusste genau, hier, bei diesem Mann, musste er sehr vorsichtig sein. Am Jahresende würde eine der beiden Karrieren zerstört sein.
Im Team intern wichtigsten GP, dem zweiten Rennen des Jahres in Laguna Seca/USA, in dem Kocinski seinen Teamgefährten vor heimischem Publikum vorführen wollte, passierte genau das Gegenteil. Pole und Start ? Ziel Sieg für Rainey, Rennsturz für Kocinski.

Für den Rest ihrer Zusammenarbeit waren die Positionen bezogen. John war keine Gefahr mehr. Mit dem Australier Mick Doohan wuchs in diesem Jahr allerdings eine Gefahr heran, mit der Wayne vielleicht nicht gerechnet hatte. Den letzten WM Lauf der Saison hatte John Kocinski auf der neuen GP Strecke von Shah Alam in Malaysien gewonnen, allerdings ohne die Gegner Schwantz und Rainey.

Beide waren bei Testfahrten vor dem GP hier schwer gestürzt. Kevin Schwantz hatte sich einen Trümmerbruch einer Hand zugezogen, Wayne hatte sich bei seinem Sturz durch den Rutsch über einen hohen Kurb den Oberschenkel gebrochen. Die schwerste Verletzung seiner bisherigen Laufbahn. Es war ein böser Bruch, Wayne war in sehr schlechter Verfassung. 24 Stunden verbrachte er im Streckeneigenen Krankenhaus, nächsten Tag wurde er zum Flughafen gebracht. Wayne wurde noch von einem zunächst unbekannten Einheimischen besucht, der ihm als Prinz Rajah Muda vorgestellt wurde, das Oberhaupt Shah Alams und Rennsport Freund erster Güte, nebenbei auch noch begeisterter Harley Davidson Fahrer. Die Mannschaft um Rainey erhielt am Flughafen die Nachricht, dass die Crew der Air China Maschine, die Wayne direkt in die USA zur Operation fliegen sollte, keine Möglichkeit sah, den schwer verletzten Weltmeister mitzunehmen. Nach einigem Trubel erschienen kräftige Männer und trugen Wayne fort. Auf seine ängstliche Frage an den Team Techniker Trevor Tilbury, was den nun geschähe, meinte dieser schmunzelnd: ?Prinz Muda hat die Angelegenheit geregelt. Die Maschine fliegt entweder mit dir nach Amerika, oder sie verlässt Malaysen überhaupt nicht?! Zu diesem Zeitpunkt war die Weltmeisterschaft allerdings schon längst gelaufen. 6 Siege in 15 Rennen, vier zweite und drei dritte Plätzen sowie einen 9.Platz bei einem Ausfall bescherten Wayne Rainey den 2. Weltmeistertitel.

Auch 1992 sollte der Weltmeister Wayne Rainey heißen, dass er wieder für Yamaha um den Titel fuhr, war einer Machtdemonstration Marlboros zuzuschreiben. Cagiva Boss und Eigner Claudio Castiglioni war schon im Juni letzten Jahres vorstellig geworden und hatte Wayne 2 Millionen Dollar für seine Unterschrift geboten. Nach einem tatsächlich beeindruckenden Werksbesuch hatte Rainey allerdings dankend abgelehnt. Die Japanischen Motorräder schienen ihm für den Gewinn des Titels doch besser geeignet. Einige Wochen später, beim Britischen GP, erschien Castiglioni abermals und legte ein neues Angebot vor. 5 Millionen Dollar für zwei Jahre bei Cagiva.

Der im Wohnmobil anwesende Marlboro Marketing Chef Leo de Graffenried sprang aus seinem Sitz auf und schrie: ?Wenn Wayne zu Cagiva geht, zieht sich Marlboro aus dem Motorrad Rennsport zurück?! Zwar fanden dies die Anwesenden als Erpressung und Schweinerei, aber es war so ernst gemeint, dass damit das Thema Markenwechsel vom Tisch war. Der bestbezahlte Fahrer jener Jahre war Wayne Rainey trotzdem. Das Geld alleine wäre nicht die Motivation für einen Wechsel gewesen, sondern die liebe Cagivas zum Rennsport, die Mentalität der Italiener, ihre lockere Arbeitsweise. Vorbei! Dass der Titel aber überhaupt gelang, war ja schon verwunderlich.

Bei Testfahrten in Barcelona, zu Jahresbeginn ? Wayne war noch schwer gezeichnet von seinem Oberschenkel Bruch ? stürzte er wieder schwer und schliff sich den kleinen Finger der linken Hand fast weg. Er musste amputiert werden. Waynes Gegner bei Honda sorgten für die nächste Verwirrung. Die Honda Fahrer Gardner, Doohan und Shinitchi Itoh erschienen beim ersten Rennen mit Motorräder, die zwar gleich aussahen wie letztes Jahr, aber sie klangen ganz anders!

Dort, wo Wayne seine Yamaha aus tiefer Schräglage heraus erst vorsichtig in den kraftvollen Drehzahlbereich über 5000U/min bringen musste, beschleunigte Doohans Honda mit einem Wheelie wie eine Rakete. Da konnte doch etwas nicht stimmen? Es war die Anfangszeit der so genannten ?Big Bang? Motore. Allerdings dauerte es nicht einmal ein halbes Jahr, dann war der Vorsprung wieder weg. Alle anderen, speziell Yamaha, hatten gleichgezogen.

Nicht gleichgezogen hatte John Kocinski. Er war Mitte des Jahres beim Team schon gefürchtet. War er schnell, dann war seine Yamaha ?Die beste Rennmaschine der Welt?. Da John aber meist langsamer war als Wayne, änderte sich das sehr schnell. Kenny Roberts beschrieb das so: ?John konnte wirklich schnell sein und es war auch einfach, mit ihm zu arbeiten. Wenn Wayne allerdings schneller war, und das war oft der Fall, dann wurde aus John John Kocinski, und dann hatten wir ein Problem?. ?Der mieseste Haufen Scheiße? war nach einem fünften Platz noch ein harmloser Ausdruck, für das gleiche Motorrad, mit dem Wayne soeben das Rennen gewonnen hatte. Am Jahresende hatte das gesamte Roberts Team die Nase voll von John Kocinski. Roberts musste ihn entlassen. Wie hatte doch Wayne Rainey gesagt? ?Am Ende wird die Karriere eines von uns beiden zerstört sein?.

Drei Siege, vier zweite, ein dritter und ein fünfter Platz bei vier Ausfällen brachten den 3. Titel in Folge. Mike Doohan, der es auf fünf Siege und zwei zweite Plätze brachte, hatte jedoch gleich fünf Ausfälle zu verzeichnen und mußte sich mit dem zweiten Platz zufrieden geben. Dritter der Saison wurde sein Teamkollege John Kocinski, 4. sein Dauerrivale Kevin Schwantz.



1993 begann mit einer Revolution.
Es war schon ein Jahr her, seit die Dorna sämtliche Übertragungsrechte für 10 Millionen Dollar/Jahr zugesprochen bekam. Die IRTA (Vereinigung der Teambesitzer) hatte offen der FIM (Oberste Motorradsport Vereinigung) den Krieg erklärt und mit einer Piratenserie gedroht, falls die Geldumschichtungen nicht ein Ende finden sollten. Es ging um sehr viel Geld und um Macht. Ecclestone hatte seine Finger nach den Geldern im Motorradsport ausgestreckt.

Vieles hatte sich seitdem geändert. Das Punktesystem war anders. Die Start und Preisgelder bekamen nun die Teams, nicht mehr die Fahrer. Einheitliche Teamkleidung war Vorschrift, Handtücher aufhängen in den Boxen verboten! Wegen der Fernsehübertragungen, wie es hieß. Die IRTA als Vertretung der Teambesitzer hatte Macht bekommen, aus den Händen von niemand geringerem als Bernie Ecclestone. Auch wenn die Obersten der FIM das nicht gerne hörten, den sie sollten ja eigentlich die Macht im Motorradsport haben. Nicht der kleine Engländer. Doch niemand hatte schlechten Asphalt verboten, Leitplanken waren erlaubt, Kurbs durften einem gestürzten Fahrer die Knochen brechen, da erhob niemand Einspruch. Fahrer gab es ja genug.

Das war die Geburtsstunde von IMRA, der Internationalen Motorradrennfahrer Vereinigung um den Gründer Wayne Rainey. Er hatte sich vorgestellt, dass jeder Fahrer 1000 Dollar einbezahlt. Wer das nicht kann, der bezahlt eben die Hälfte, oder es wird gestundet. Davon könnte man ein Büro einrichten und einen Anwalt bezahlen. Man konnte etwas gegen gefährliche Rennstrecken unternehmen. Niemand, außer den Fahrern, wusste besser, wo Gefahren lauerten.

Zum ersten Treffen kamen von 100 Fahrer ganze 20 Mann. Rainey ließ nicht locker und setzte sich am Ende durch. Er hatte am eigenen Leib erlebt, wie unnötig manche schweren Verletzungen für die Rennfahrer waren, wie einfach sie vermieden werden könnten. Wenn man an der richtigen Stelle den Hebel ansetzt. Nach und nach brachte er alle Fahrer zusammen. Einige zwar murrend, aber sie kamen. Dann handelte er einen Verbindungsmann zur IRTA aus, der die Aktivitäten koordinieren konnte. Das war nicht leicht. Die Männer um Paul Butler hatten kein Interesse, dass ihnen die Fahrer über die Schultern schauen konnten oder gar ein Mitspracherecht hatten.

Da trat Wayne an Eddie Lawson mit der Bitte heran: ?Ed, wie brauchen dich. Bitte hilf uns, steh´ zu uns?. Eddie ging mit dem Anliegen Waynes zu Mike Trimby und Paul Butler, Präsident der IRTA, und sagte ihnen zuerst einmal von Angesicht zu Angesicht, was er von ihnen hielt. Dann unterbreitete er ihnen Raineys Anliegen. Etwas verwirrt ob so viel ?Offenheit? und beeindruckt von der Präsentation des Anliegens stimmten sie zu.

Als erster Verbindungsmann der Fahrer Vereinigung und der Vereinigung der Teambesitzer wurde der erfahrene Belgier Didier de Radigues gewählt. Im Laufe des Jahres 1993 wurde der neue Verbindungsmann Franco Uncini, 1982 Weltmeister der Königsklasse. Die Personen, die den Kopf riskierten, die die Zuschauer an die Strecken brachten und den Rennsport erst so attraktiv machten, dass die riesigen Geldströme flossen, wurden erstmals gehört, hatten eine eigene Stimme erhalten.

Diese Rennsport Saison 1993 begann zwar, wieder einmal, mit einem Sieg von Schwantz in Australien, die nächsten beiden Rennen in Malaysien und Japan gewann jedoch wieder Rainey. Ein Sieg beim zweiten in Spanien ausgetragenen Rennen und ein weiterer Sieg in Brünn, mit dazwischen guten Platzierungen, sollten folgen. Nach dem Sieg am 22. August in Brünn hatte Wayne Rainey seinen Vorsprung bereits auf 11 Punkte auf seinen erbitterten Verfolger Kevin Schwantz ausgebaut und war drauf und dran, seinen vierten Titel in Folge heimzufahren.

Es bestand kein Grund, daran zu zweifeln. Rainey, ein überaus schneller und zweikampfstarker Fahrer, war besonders für seine Beständigkeit während einer Saison bekannt. Ebenso wie bei seinem ehemaligem Teamkollegen und Vorgänger, Eddie Lawson, gehörten Stürze zu seltenen Ereignissen.

?Es ist unumgänglich, bei diesen Konkurrenten ständig an der Grenze des Material- und Menschenmöglichen zu fahren, und das führt fast zwangsweise zumindest zu einem Sturz pro Saison?, meinte Wayne Rainey einmal nach einem Trainingssturz. Genau so ein ?Routinesturz?, ein Fahrfehler, in Führung liegend im Rennen von Misano am 5.September 1993, sollte das Leben des dreifachen Weltmeisters entscheidend verändern. Beim Rutsch über die relativ hohe Streckenbegrenzung, den sogenannten Kurbs, wurde das Rückenmark Raineys verletzt und der lebenslustige Amerikaner an den Rollstuhl gefesselt.

Wie sehr Wayne Rainey aber den Rennsport liebte, zeigte er, als er bereits 1994 wieder an die Rennstrecken der Motorrad WM zurückkehrte. Diesmal als Teamchef einer Yamaha Truppe. Erfolgversprechende Fahrer, darunter sein ex Kollege John Kocinski, J.M.Bayle, Norick Abe oder Luca Cadalora fuhren für ihn und sein Team. Der WM-Titel als Teamchef war Rainey allerdings nicht vergönnt. Nachdem ihm die Strapazen des Reisens einfach zu groß wurden, zog sich Wayne Rainey Ende der Saison 1998 völlig aus dem Rennsport zurück. Bild rechts: Früher Gegner und Teamkollegen, heute Freunde ? Rainey und Lawson

Was macht Wayne Rainey heute?
Er lebt in Monterey, Kalifornien, gleich neben der Rennstrecke von Laguna Seca. Er und sein guter Freund Eddie Lawson organisieren und fahren dort Kart Rennen. Mit seinem Special-Kart, das er komplett mit seinen Händen bedienen kann und das ihm sein Freund Eddie bauen ließ, ist Rainey nur maximal eine Sekunde langsamer als Lawson, dem König von Laguna Seca. Rainey über Lawson: ?Unsere Freundschaft ist seit dem Unfall tiefer als je zuvor, da ich jetzt auf der Rennstrecke keine echte Gefahr mehr für den noch immer äußerst ehrgeizigen Eddie darstelle?. Auch an der Planung zur Rückkehr des WM- Zirkus nach Laguna Seca war Rainey maßgeblich beteiligt.

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RE: American Express 1988-1993

#3 von Ar-one , 05.02.2011 21:10

Eddie Lawson



Als Eddie Lawson im Kindesalter sein erstes Minibike bekam, wollte er nichts anderes mehr tun in seinem Leben, als Rennen zu fahren. Mit dieser Einstellung wurde er Amerikas erfolgreichster GP-Racer aller Zeiten.

Zehn Stunden dauert die Fahrt von Wayne Rainey, den wir in der letzten PS zuhause in Kalifornien besuchten, zu Eddie Lawsons Heim in der Wüste von Arizona. Es ist eine filmreife Tour durch atemberaubende Mondlandschaften, vorbei an einsamen Joshua-Bäumen. Die bolzengerade Straße vor mir berührt den Horizont und macht mich auf dieses Paradoxon aufmerksam: Wie kann ein Land, das von diesen unendlich langen kurvenfreien Straßen beherrscht wird, so viele Rennfahrer hervorbringen, die so verdammt gut darin sind, richtig schnell um Kurven zu fahren?

Um neun Uhr morgens sind wir da. Sekunden, nachdem ich den Klingelknopf gedrückt habe, bin ich beunruhigt, ob wir nicht viel zu früh bei dieser amerikanischen Legende stören. Eine ganze Weile später geht die Tür auf und ein etwas derangierter Eddie Lawson steht vor uns. "Oh, hallo Eddie, haben wir dich geweckt?" "Ja, habt ihr. Wir waren lange aus. Aber kommt rein, macht es euch gemütlich."

Das Lawson-Anwesen ist gewaltig: ganze Hektare von lang florigem Teppich und weißem Leder breiten sich vor uns aus, ein Luxus-Tempel wie bei einem Hip-Hop-Superstar. Aber Lawson ist kein großkotziger, rüpelhafter Rap-Typ. Er ist viel ruhiger und bodenständiger, als es dem erfolgreichsten Amerikaner im GP-Geschäft zustünde.
"Ich mach mit Euch die kleine Hausführung", taucht er frisch geduscht wieder auf. Vom Haus aus hat man einen fantastischen Blick über Lake Havasu und die wüste Mondlandschaft dahinter. Im Untergeschoss gibt es ein paar Rennboote, zwei Jet-Ski und einen topgepflegten 1981er Porsche 911, den sich Eddie damals zulegte, als er gerade Kawasaki-Superbike-Pilot wurde. Seine Motorrad-Sammlung befindet sich im anderen Haus in Upland, Kalifornien.

Lawson ist mit seinen 52 Jahren ein entspannter Typ, äußerst freundlich, der gestenreich von seinen alten Racing-Abenteuern erzählt. Während seiner neun Jahre im 500er-GP wurde Eddie dagegen immer als unterkühlt, schweigsam und launisch dargestellt - ein Typ wie ihn Clint Eastwood immer spielt. Dafür gab es gute Gründe. "Als ich 1983 nach Europa ging, um Grand Prix zu fahren, war die Presse echt heftig, richtig brutal", erzählt er. "Die schrieben da Sachen, und ich habe das dann immer dementiert. Heute weiß ich, dass ich es einfach hätte ignorieren sollen. Meine Kommentare über sie machten diese Pressefritzen nur wütend. Und dann wurde ich noch wütender. So hat sich das hochgeschaukelt. Am Ende habe ich gar nicht mehr mit der Presse gesprochen - das ist das Schlimmste, was man machen kann. Aber ich dachte, ihr könnt mich alle mal und konzentrierte mich aufs Rennfahren."
Auf das Wesentliche hat sich Lawson zweifellos konzentriert. Nachdem er die US-Superbike-Meisterschaft 1981 und 1982 für Kawasaki gewonnen hatte, kam er als Schützling von Kenny Roberts nach Europa.



1984 gewann Eddie im zweiten Anlauf den WM-Titel im Marlboro-Yamaha-Team und wiederholte diesen Triumph 1986 und 1988.



1989 folgte die vierte WM-Krone, nachdem er zu Rothmans Honda gewechselt war. Während dieser ganzen Zeit war sein Siegeswille nicht die einzige treibende Kraft: "Ich habe es wirklich geliebt, Motorrad zu fahren, und konnte es kaum erwarten, bis es wieder losging. Nach einem GP hatte ich es eilig, nach Hause zu kommen, meinen Motocrosser auf den Pickup zu laden und damit raus in die Wüste zu fahren - einfach so zum Entspannen." Diese Freude lebte in ihm seit seiner Kindheit. "Als ich das erste Mal Motorrad fuhr, dachte ich: Lieber Gott, das ist das Größte, was es gibt. Ich bin mir sicher, meine Eltern waren öfter kurz davor, mich zu killen. Die ganze Woche lag ich ihnen in den Ohren: Darf ich wieder fahren, kann ich das Bike haben, bringt mich jemand zur Rennbahn? Mehr als einmal haben sie mir deshalb mit der Todesstrafe gedroht. Aber jedes Wochenende packten sie mich ins Auto und fuhren mit mir raus."

Schon Lawsons Großvater und Vater waren Rennfahrer. Vor dem Zweiten Weltkrieg war Opa Lawson einer dieser furchtlosen Boardtracker auf Indians und Harleys - 90 Meilen schnell auf Holzplanken-Ovalen, oft mit Spreißeln im Hintern oder viel, viel schlimmer. Berühmt war Eddie Lawson für seinen superrunden Fahrstil und seine wenigen Stürze. "Ich konnte nicht über meine Verhältnisse fahren. Das war so ein Sicherheitsding. Jungs wie Gardner oder Schwantz tanzten immer auf Messers Schneide und ich habe sie dafür bewundert. Denn wenn man so mutig ist und auch noch damit durchkommt, das ist schon etwas Besonderes. Wenn ich Dritter war und mir sagte, schneller geht es eben nicht, dann wurde ich halt Dritter. Es gab Rennen, da fuhr ich locker allen davon, konnte mich ruhig umschauen und hatte Zeit für ein Sandwich. Und im nächsten Rennen hing ich hinter solchen Jungs und musste kämpfen. Ich habe keine Ahnung wie viel davon mit dem Motorrad oder mit meinem Kopf zu tun hatte, dass alles plötzlich viel langsamer war.
Das ist bis heute so, wenn ich mit Go-Karts raus fahre. Die ersten Runden lasse ich es langsam angehen und sehe mir alles an. So war das auch mit den Grand Prix. Ich bin nie raus und habe gleich voll rein gehauen. Als ich mit Rennsport anfing, sagten mein Vater und Großvater: "Aus dem wird nie was. In meinen ersten Rennen fuhr ich immer ganz hinten herum und hatte echte Zweifel, ob dieses Racing-Zeug wirklich etwas für mich ist. Es dauerte lange, bis ich es raus hatte. Und selbst dann war ich oft viel zu besonnen."

Vielleicht waren es die ersten Erfahrungen als Racer, die aus Lawson einen so vorsichtigen Fahrer machten. "Mein erstes Motorrad hatte Stummel, die bei jeder Kleinigkeit sofort abbrachen. Mein Großvater motzte mich deshalb ständig an, dass er mit mir nie mehr zur Rennstrecke fahren würde, wenn ich nochmal welche abbrechen würde. Damals war ich sieben Jahre alt und er hat mich echt eingeschüchtert. Aber es ist immer wieder passiert und er hat von neuem geflucht. Jahrelang hat Grandpa mir damit gedroht, einen Schlussstrich zu ziehen, wenn ich etwas kaputt machte. Etwas blieb davon bei mir hängen: Fall bloß nicht runter!"

Letztendlich brachten ihm sein präziser, flüssiger Stil und die vielen Rennen, in denen er immer die Zielflagge erreichte, das zweifelhafte Etikett Steady Eddie (beständiger Eddie) ein. Nicht gerade der coolste Spitzname, wenn dein ärgster Rivale als "Fast Freddie" gegen dich antritt. "Okay, Spencer war Fast Freddie. Aber ich habe ihm des Öfteren in den Hintern getreten und war trotzdem Steady Eddie. Das war mir eigentlich schnuppe. Sie haben mir auch gesagt: Junge, du siehst da draußen ganz schön langsam aus. Das habe ich dann immer als Kompliment aufgefasst. Wenn ich gewinne und dabei langsam aussehe, was sagt das über den anderen?"

Lawsons besonnene Herangehensweise sicherte ihm jedenfalls eine längere Karriere als bei den meisten anderen in dieser Ära, in der die mörderischen GP-Bikes selbst die besten Fahrer brutal durchkauten und dann achtlos wieder ausspuckten. Eddie ist heute physisch in einem weit besseren Zustand als die meisten seiner Zeitgenossen und geht aufrechter als noch vor Jahren - dank einer brandneuen Titan-Hüfte.
Am Ende lag es jedenfalls nicht an der Fitness, dass der vierfache Weltmeister dem Grand Prix Lebewohl sagte und 1992 seinen Helm an den Nagel hing. "Ich hasste dieses ständige Reisen so sehr. Während des letzten Jahres saß ich so oft zuhause und es wurde wieder Zeit, nach Europa aufzubrechen. Aber alles in mir hat sich dagegen gesperrt. Ich hatte das Gefühl, als käme ich nicht aus meinem Sessel hoch. Ich sagte meinem Manager Gary Howard (auch Manager von Wayne Rainey, Kenny Roberts, John Kocinski und Nicky Hayden - die Red.), dass ich es nicht mehr aushalten würde: Landung in L.A., eine Stunde im Zoll stehen, drei Stunden heim durch den Stau. Er wollte es mir einfach machen und besorgte einen Hubschrauber, der mich vom Flughafen direkt in meinen Garten brachte. Aber das machte es nur minimal leichter. Wenn du jung bist, ist das Reisen okay, doch zehn Jahre lang habe ich 50 internationale Flüge pro Jahr abgespult. Ich hatte einfach die Nase voll."
Lawson ist einer der ganz wenigen Fahrer von damals, die einfach aufhörten, davon spazierten und der ganzen Show den Rücken kehrten. "Darüber denke ich nicht nach. Es war cool und hat alles viel Spaß gemacht. Manchmal muss ich mir das aber echt bewusst machen, dass ich tatsächlich ein GP-Racer war. Den Pokalraum hier drin wollte Julie unbedingt (Lawsons Freundin seit 18 Jahren)." Nachdem er aufgehört hatte, dauerte es 13 Jahre, bis Eddie überhaupt wieder einmal bei einem Grand Prix vorbeischaute.

Womit schlägt er also die ganze Zeit tot? "Ich baue einen Haufen Mist, spiele mit Booten und Jet-Skis herum, fahre Motocross hier in der Wüste und in Kalifornien. Ich blödel eben herum, aber bin ständig beschäftigt. Der Tag hat für mich nicht genug Stunden - entweder baue ich ein neues Kart, restauriere ein altes Motorrad oder fahre von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang mit einem der Quads in der Wüste herum." Für den Spaß auf der Straße hat Eddie übrigens eine Yamaha R1 und eine FJR 1300.

Lawson kann sich diesen Lifestyle leisten, weil seine Intelligenz ihm nicht nur in Sachen Racing sondern auch beim Umgang mit Geld zupass kam. Schon zu seinen aktiven Zeiten hauste er immer im gleichen antiquierten Wohnmobil, während seine Widersacher ungeheure Summen für völlig überzogene Traumbuden auf Rädern ausgaben. "Die älteren Racer haben mir mal gesagt: Du kannst eine Million Dollar für ein Wohnmobil ausgeben oder die Million in ein Stück Land stecken, von dem du möglicherweise noch was hast, wenn das hier alles vorbei ist", lacht Lawson. "Genau, sagte ich mir, und habe damals dieses Land hier gekauft und drei weitere Grundstücke in Kalifornien. Ein paar der Jungs haben ihr Geld wirklich für eine Menge Blödsinn verpulvert. 1981 habe ich mir diesen Porsche gekauft und fertig. Ich fahr eigentlich einen Pickup-Truck. Autos interessieren mich nicht die Bohne."

Eddie lebt abwechselnd in Havasu und Upland, wo er aufgewachsen ist. Nach seiner GP-Zeit ist er einige Jahre in der Indy-Light-Serie Autorennen gefahren. Nach wie vor ist er ein engagierter Go-Kart-Fan und startet mit seinem TZ250er-Kart bei Hobby-Rennen. Diese Liebe zu den kleinen Flitzern half ihm auch, seine Freundschaft mit Wayne Rainey nach dessen schwerem Unfall 1993 wieder aufzufrischen. Sie waren seit ihrer Kindheit befreundet. "Es hat mir den Magen umgedreht, als ich von seinem Crash hörte", erinnert sich Lawson. "Zu dem Zeitpunkt war unsere Freundschaft zerrüttet. Wir hatten seit 1989, als ich ihn im Titelkampf besiegen konnte, nicht mehr miteinander gesprochen. Das nagte immer an ihm. Aber als er sich dann verletzte, wusste ich, dass ich ihm helfen musste." Lawson baute dann zusammen mit Raineys Vater Sandy ein spezielles Kart für den querschnittsgelähmten Ex-Rivalen. Eddie und Wayne schauen sich heute auch öfter gemeinsam MotoGP-Rennen an: "Als wir fuhren, war eine Zehntelsekunde Rückstand der Weltuntergang. Heute haben die einhalbe Sekunde Rückstand und sorgen sich um ihr Mittagessen, ihre Frisur oder ob sie die richtige Sonnenbrille aufhaben. Hammer, wie das mittlerweile läuft."

Als wir uns verabschieden, um für das Treffen mit Lawsons altem Rivalen Freddie Spencer nach Las Vegas weiter zuziehen, kommt mir ein Gedanke. Im Gegensatz zu vielen Ex-Champions betreibt Lawson keine Racing-School. Vielleicht sollte man Steady Eddie das mal vorschlagen, damit er diesen auf Lifestyle fokussierten jungen Racern beibringt, dass Mittagessen, Frisuren, Designer-Sonnenbrillen und Kuscheln mit der Journalistenbrut nicht die Dinge sind, die einen zum Weltmeister machen. Am Ende habe ich es aber dann doch gelassen - war sicher besser so.

19.05.2010 Von: Mat Oxley


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RE: American Express 1988-1993

#4 von Ar-one , 05.02.2011 21:53

Und danach die Zuschauer?


... streiften Kometen am Herzen vorbei

Wie das Leben so spielt, war man in der Jugend meist mit seinen kuriosen Gedanken und Wünschen nicht ganz allein auf dieser Welt.
Darum hatte auch ich, seit meiner Schulzeit, einen treuen Begleiter an meiner Seite, der mit mir fast jedes Abenteuer teilte.
Als eingeschworenes Zweiergespann meisterten wir sämtliche Klippen der Pubertät. Über den ersten, geistigen Höhepunkt beim spannen im Freibad, weiter zu den täglichen, schulischen und familiären ?Qualen?, konnte uns nur die unterschiedliche Auffassung über rohe Tomaten und Milchkaffee entzweien.

Selbstredend, dass wir auch Zweiradtechnisch auf derselben Welle ritten.
Nach dem aufwühlenden neuen Geist der Hippies, der uns mit voller Wucht in unseren ersten, feuchten Träumen traf, torkelten wir mit langen Haaren und dem ersten, mühsam gepflegten Oberlippenflaum, zwischen den makellosen Brüsten Uschi Obermeiers und der verwitterten Coolness Charles Bronsons hin und her.

Die Rettung aus der Bredouille hieß ?Easy Rider? und ?Born to be wild?.
Wie besessen werkelten wir an unseren Fahrrädern, um endlich mit Hochlenker und Gepäckstange am Heck ganz ?wild?, ?easy? und möglichst ?cool? durch die Gegend zu radeln.
Das zog sich bis über die Moped Epoche hin und endete erst als wir unsere Z1000 Kawas bestiegen. Dort war die Coolness dann in vier singenden Zylindern, mit 85PS und oben liegenden Nockenwellen, versteckt.

Später, ab 1982, waren wir Zweitakt Racing infiziert. Zumindest Gedanklich. Nachdem ich ihn zu einer zweiten Pleite meinerseits, in aller Herrgottsfrühe zum Salzburgring schleppte, wo ich Jahre zuvor schon mit meinem Studienkollegen floppte, wiederholten wir die gleiche Chose wie zur doppelten Bestätigung, noch einmal.

Aller Guten Dinge sind ja bekanntlich ?drei?! Denkste!!

Fürs dritte Mal Salzburgring wurde strategisch weiter ausgeholt!
Da am 4. Juni ?89 in Salzburg, und am 11. Juni in Rijeka ein GP stattfand, entschlossen wir uns spontan für einen GP Kurzurlaub.

Freitagmittags starteten wir meinen schrottreifen Golf, der dank zu spät gewechseltem Thermostat, nun auch mit einer neuen Zylinderkopfdichtung aufgepäppelt war. Abgesehen von diversen, mürben Karosserieteilen, die mir im Innenraum, speziell am Hinteren Federdom entgegenzwinkerten, starteten wir perfekt gerüstet auf die Bahn Stuttgart - München - Salzburg.

Ich kann heute nicht mehr genau sagen, woher ich von dem Bauernhof in Plainfeld wusste. Entweder las ich es in einer Zeitschrift, oder sah beim letzten Pleiten-Pech- und Pannen Salzburgring Besuch, trotz mächtig dickem Hals bei der Heimfahrt, ein Schild mit ?Zimmer frei?, und notierte mir damals schon frustriert die Telefonnummer.
Jedenfalls hatte ich eine Woche zuvor dort angerufen und ein Doppelzimmer geordert. Wir checkten also Freitagabend in dem Bauernhof ein, der bis unter den Giebel mit Rennbesuchern voll gestopft wurde. Wie ich Glückspilz nur eine Woche zuvor einen so begehrten Platz reservieren konnte, war mir in dem Moment schleierhaft. Später stellte sich heraus, dass bei Überbelegung, die Leute im ganzen Kaff verteilt wurden. Eine willkommene Gelegenheit für die Einwohner, um die Haushaltskassen etwas zu frisieren.

Es war relativ ruhig an diesem Abend, so dass wir gelassen die Lage um den Ring sondieren konnten. Immer die Tainaustrasse entlang, kamen wir an entscheidenden Stellen vorbei, die, je nach Planung der Parkerei, ins Auge gefasst werden mussten.
Hat man Zeit, und nicht den Massenansturm am Rennsonntagmorgen, sehen die Verhältnisse weit besser und entspannter aus. So suchten wir einen nahen Parkplatz, der uns nur mit einem 5min. Querfeldein Marsch von der Fahrerlagerkurve trennte. Genauso kamen wir von diesem Parkplatz, bei der Rückfahrt nach Plainfeld, direkt an einem belebten, urigen Gasthof vorbei, bei dem die panierten Schnitzel mit Pommes, im Sekundentakt aus der Küche geschleudert wurden.

Dort ließen wir auch den Freitag mit Schnitzel, jeder Menge Bier und einer hitzigen Spekulation ausklingen. Wie würde sich der Hero aus vergangenen Tagen, Freddie Spencer, nach seinem Rücktritt vom Rücktritt, jetzt im rot/weißen Marlboro Yamaha Team, aus der Affäre ziehen.
Wo doch sein Nachfolger Eddie Lawson, jetzt bei Rothmanns Honda und Erv Kanemoto, sowie die neuen Wilden, Kevin Schwantz und Wayne Rainey, das Zepter in der Hand hielten.

Kurz bevor wir zu vorgerückter Stunde, Kevin Schwantz und Freddie Spencer verwechselten, stolperten wir zum Auto und suchten in dem mittlerweile immer dichter besiedelten, riesigen Bauernhof unser, hoffentlich noch freies, Zimmer.
Der nächste Morgen begrüßte uns mit frisch gereinigter Alpenluft und dem natürlichen Hormonpräparat der aufsteigenden Juni Sonne.
Von deftigem Bauernfrühstück voll gestopft, machten wir uns auf den Weg zum Qualifikationstraining.
Die kleinen Klassen benutzten wir, um die besten Plätze für die 500er zu finden. Wir liefen an der Fahrerlagerkurve außen rum, und schauten den 125er eine Weile von der höchsten Stelle des Kurses zu.
Selbst bei den kleinen Schreihälsen sah es schon recht ordentlich aus, wenn sie volle Tüte über die leichte links Kuppe am Ende des langen Bergaufstücks mähten, um, natürlich ohne vom Gas zu gehen, in die Fahrerlagerkurve rechts umzulegten, und diese noch zur hälfte als Windschatten nutzten, um am Ende aus diesem heraus auszubremsen.
Wir liefen weiter entgegen der Fahrtrichtung das Bergaufstück runter bis zur Nocksteinkehre. Dort war es recht unterhaltsam, wie die Schnapsgläser sich für den Windschatten eines schnelleren Kontrahenten formierten. Speziell diejenigen, die sowieso mit wenig Leistung bestraft waren, mussten nun auch noch in der Nocksteinkehre Kopf und Hals riskieren, nur damit sie einen anständigen Windschatten, und somit auch eine bessere Rundenzeit zustande brachten.

Am Salzburgring extrem wichtig. Genauso wie die richtige Übersetzung für die Windschattenduelle. Da war viel Erfahrung und Know How gefragt.

Um die Nocksteinkehre kam man zu Fuß nicht sauber rüber. Erst musste man durch den Wald klettern. Dann stand man, allerdings nach einem mühseligen Fußmarsch, an einem nicht richtig sichtbaren Ende der Zielgeraden. Eigentlich dort in der Nähe, wo später die Schikane gebaut wurde. Um die Zielgerade im gesamten zu überschauen, musste man wieder über einen schmalen Waldpfad bergauf wandern, an dem aber kein befriedigendes Plätzchen garantiert war. Nur viele Bäume, die uns zusammen mit dem Zweitaktgekreische in die Welt der Baumfäller und Motorsägen versetzte, in der wir bei jedem Schritt mit einem
?T-i-m-b-e-r? Ruf und dem begraben werden unter einer mächtigen Tanne rechnen mussten.
Durch den Wald weiter vor zum Nesselgraben war auch mehr als zweifelhaft, weil man nie wusste, ob man gleich vor einem Zaun stand und wieder zurückmarschieren durfte. Also, besser gleich jetzt den Rückzug antreten.

Um die Nocksteinkehre herum und wieder hinauf zur Fahrerlagerkurve. Das Training der 250iger war schon voll im Gange.

Die Nocksteinkehre war zwar schön anzusehen, als Kurve im Allgemeinen. Aber der eigentliche Reiz am Salzburgring war eindeutig das Bergaufstück und die Fahrerlagerkurve.

Wenn die Mopeds wie an einer Perlenschnur aufgezogen, bergauf ihre Windschattenduelle lancierten, fragte man sich als Zuschauer andauernd, wo sich die Cracks ihre Orientierungspunkte für die letztmögliche Chance zum attackieren suchten. Denn das Ende des Bergaufstücks, ein leichter Linksknick der mit Topspeed genommen wurde, endete mit einer relativ blinden Kuppe die gleichzeitig den Richtungswechsel in die Fahrerlagerkurve einleitete. Wer selbst schon mal etwas zügiger Moped gefahren ist, weiß, was es bedeutet, mit nahezu 300 km/h, erstens einen zackigen Richtungswechsel und, zweitens, den auch zum richtigen Zeitpunkt mit Kopf und Körper punktgenau zu vollenden.

Eine der ersten und wichtigsten Erfahrungen die ein Motorradfahrer macht: Je schneller die Geschwindigkeit, umso mehr muss der Richtungswechsel vorgeschoben werden.

Wer also mit 70 km/h in eine lang gezogene Kurve fährt, wird auf dem Motorrad von der Kurve gar nicht viel mitbekommen. Anders sieht das bei 280 km/h aus. Da ist das plötzlich ein scharfes Eck, bei dem man schon 50m vorher in guter Schräglage positioniert sein muss. Das erfordert viel Erfahrung und Feingefühl.

Wenn dabei aber ein Pulk mit Rennfahrern, die alle vom Druck guter Rundenzeiten und dem unbedingten Siegeswillen getrieben werden, fighten, ist das wieder etwas anderes. Etwas Besonderes! Wer selbst eine ungefähre Ahnung davon hat, wie das Leben bei diesen Geschwindigkeiten auf einem Zweirad aussieht, bewertet auch die Leistung aller Motorradrennfahrer unter einem anderen Licht.

Wir schauten zu wie unser guter, alter Reinhold Roth noch ?einen Brikett nachlegte? um sich bei Martin Wimmer und dessen überraschend prächtig laufender, privaten Aprilia mit Rotax Motor einzuhängen, und sich auf eine gute Runde ziehen zu lassen.

Der Himmel wurde bewölkter, die Sonne trübte etwas ein, und wir waren nun am Ende der Fahrerlagerkurve angekommen. Dort hatten wir am Freitag schon den ersten, und wie sich später herausstellte, besten Standort festgelegt.

Als wir gerade dabei waren uns gemütlich zu platziert, begannen die 500er mit den ersten Aufwärmrunden. Im Gegensatz zu den 125igern und 250igern, kamen selbst die 500er Privatfahrer wie Stukas um die Fahrerlagerkurve. Vielleicht lag es auch am sonoren Kreischen der Hubraumstärkeren Maschinen, die eher an einen Raketenstart als an einen Bienenschwarm erinnerten.
Es klang einfach absoluter ? tiefer ? lauter - aggressiver!

Diese gefühlte Dramatik, die sich, wieso auch immer, mit jeder höheren Klasse steigerte.Dass aber innerhalb der 500er noch einige Steigerungen möglich waren, zeigte sich erst als die Top Ten vorbei flogen.
Die tapferen Privatfahrer waren plötzlich nur noch Statisten.
Bei fast allen Top Ten Fahrern jaulten die Hinterreifen um die Wette, und hauchten uns ein erstes Gefühl für das ein, was wir kurze Zeit später mit aufgerissenen Augen und sabbernden Lefzen am Streckenrad bestaunten.

Auch zwischen den Top Ten konnte man, dank Eddie Lawson, Wayne Rainey und Kevin Schwantz, noch einmal unterscheiden.

Besonders letzterer, Kevin Schwantz, der bei seinen Interviews, mit lockigem Wuschelkopf und spitzbübischen Grinsen den Eindruck vermittelte, er könne keiner Fliege was zu leide tun, bolzte derart gnadenlos, mit wild durchdrehendem Hinterrad, an der Spitze des Dreierpulks durch die Fahrerlagerkurve, so dass jedes Mal, neben dem infernalischen 500er Zweitakt Geschrei, auch noch das ekstatische Raunen durchs Publikum zu hören war.
Schlagartig fühlten wir eine ungesprochene Einigkeit im Publikum, das sich nur noch auf diese paar Trainingsrunden des Dreiergespanns konzentrierte.

Das war das Highlight in der Arena. Die Gladiatoren, die die Menge aufheizten. Unbeschreiblich die wohlige Gänsehaut, die sich schubweise mit dem ungleichmäßigen Gewimmer des Rear Tires von Schwantz, vom großen Zeh bis ins letzte Haar breit machte, während wir wie Groupies am Zaun der Fahrerlagerkurve hingen.

Eine High Speed Kurve konnte ihren Spektakel nur dadurch steigern, dass noch schnellere Fahrer, andere, auch schon recht flotte Fahrer, - außen rum - überholten. Phantastisch! Atemberaubend!

Schwantz, wie ein Komet, außen rum am halben Feld vorbei durch die Fahrerlagerkurve. In dessen Schweif konnten sich nur noch Lawson und Rainey tummeln. Für den Rest schien die Luft dort zu heiß zu sein.

Mein Kumpel und ich sahen uns verklärt in die Augen.
Mit diesem ?Kometen Slide? war Kevin, und das wahrscheinlich nicht nur uns, vom Bewusstsein direkt in einen unlöschbaren Ort im Herzen gelandet.

Kaum erwähnenswert, wie Kevin am nächsten Tag nach drei Runden seine Führung ausbaute, und ungefährdet einen Sieg im Rennen nach Hause fuhr.

Das einzige was die Stimmung hätte trüben können, war das Vabanquespiel mit dem Wettergott für uns, oder die sich nicht öffnen wollende Champagnerflasche für den Sieger Schwantz!

Prall gefüllt mit Emotionen machten wir uns auf den Weg in die Kneipe. Wir hatten keine Eile, ein unschätzbarer Vorteil.
Und das Beste - am Montagmorgen machten wir uns direkt auf in Richtung Rijeka.

Mein Kopf am nächsten morgen fühlte sich an, als hätte der Kneiper am Abend zuvor, von ?Edelpils? auf ?regular Bölkstoff? gedreht. Jedenfalls tickte meine Birne, als hätte ich sie eine Nacht in Bremsenreiniger eingelegt.
Das wurde auch nach einem kräftigen Frühstück nicht besser, und bis zum Tauerntunnel fühlte ich mich wie in einem 22Tonner, der die kompletten 2 Weltkriege überstanden hatte.

Wie zum Trost, trafen wir auf der Tauern Autobahn noch einige Teammitglieder aus verschiedenen Teams. Köche, Mechaniker, Fahrer, in all ihren bunten Ducados, Sprintern oder Trucks. Je nach Platzierung ihrer Fahrer, sahen sie aus wie wir, nämlich wie zwei zerkaute Hundeknochen, die sich hilflos festklammernd in einem alten, roten Golf durchschütteln ließen.
Die meisten aber waren fit wie Turnschuhe, und schliffen in Gedanken schon die entscheidenden Hundertstel für Rijeka von der Ein- und Auslass Seite ab.
Das gewaltige Alpenpanorama tat sein übriges, und half uns, langsam aber stetig, den fürchterlichen Kater etwas zu besänftigen.

Die Kilometer zogen sich schläfrig dahin, und verleiteten uns darüber zu spekulierten, was wir in ?Jugoland? so alles erleben würden. Im Hinterkopf steckte noch ein sachter Zweifel über die Kollateralschäden, die vor meiner neuen Zylinderkopfdichtung eventuell entstanden, und genau hinter der Grenze im tiefsten Abenteuerland bei den Jugos ihren Tribut zollen könnten. Aber was soll?s. Die Aussicht auf einen Live GP mit Schwantz und Rainey ließen selbst die dunkelsten Vorahnungen mit wärmendem Glanz erscheinen.

Wir waren noch nie in Jugoslawien. Wussten nur, dass es dort schöne Frauen mit scharfen Chevapchichi Figuren geben musste, die uns allein mit einem gutturalen ?Hallo, mein Süßäääär.? um den Finger wickeln würden.
So jedenfalls erzählten es die zahlreichen Gastarbeiter, die sich seit Jahren im Süden Deutschlands niedergelassen hatten. Doch so etwas musste natürlich aus erster Hand geprüft werden. Unsere Laune wurde mit jedem Kilometer besser und irgendwann nach Villach standen wir auch schon an der Grenze zu Slowenien. Grenze und Mautstelle um genauer zu sein.

Der Zahlmeister babbelte was von irgendwelchem Dinar, die er für die Autobahn wollte. Da wir uns aber die letzten Tage hauptsächlich für Motorräder und nicht für irgendwelchen Dinar interessiert hatten, schauten wir erstmal blöd aus der Wäsche.
Erst als wir seinen gierigen Blick sahen, nachdem ich umständlich einen zerknitterten 10 Mark Schein aus der Hose hervorgezaubert hatte, wurde uns klar, dass wir uns mit dem Umrechnungskurs etwas näher beschäftigen mussten. Das dicke Bündel, mit allerlei bunten Dinarscheinen als Wechselgeld, lies nur gutes für uns ahnen.

Später stellte sich heraus, dass der Wechselkurs zu dieser Zeit, rasant wie eine Zündschnur, in Richtung Inflationsgau brutzelte. Für uns war das ein echtes Schlachtfest der Währung. Unsere gute alte DM auf den Euroschecks wurde ja damals erst nach Tagen auf dem Konto verrechnet, was uns fast ein Drittel bis Hälfte weniger vom ursprünglichen Wert bescherte.
Weiter ging?s, über Jesenice in Richtung Ljubljana, von dort in Richtung Trieste.
Zwischendrin, bei Postojna runter von der Autobahn und ab da immer dem Zauberwort ?Rijeka? hinterher.
Auf der grenzwertigen ?Rui de Katastrophal? konnte sich mein tattriger Golf noch mal richtig bewähren. Ein tiefer gelegtes Edelteil wäre der glatte Horror gewesen. Schlaglöcher wie Kometeneinschläge, und über den Griplevel konnten sich höchstens Eisschnellläufer freuen.

In der nächsten Kurve kam uns ein Opa mit Schreckgeweiteten Augen und halb als Geisterfahrer entgegen geeiert. War der besoffen? Oder verlor mein alter Golf schon diverse Einzelteile? Wäre wohl besser, ich checke den Hobel mal durch. Also, da wir uns eh schon seit geraumer Zeit nach einem einladenden Steak&Frites, oder besser gesagt, Chevapchichi&Frites umschauten, hielten wir nun eben sofort an.

Ich war noch nicht mal mit beiden Beinen aus der Karre geklettert, als ich mich mit einem Zirkusreifen Spagat zwischen Längsträger und Straße, mehr hilflos als rettend, an der ausgeschlagenen Autotür festklammerte.
Mein Kumpel auf der Gegenseite lag schon auf der Fresse und fluchte wie ein Berserker.
Der Asphalt hier war so spiegelglatt, dass ich mich über die bisher schadlos zurückgelegten Kilometer nur wundern konnte. Der Wahnsinn!

Gerade, als das Entsetzen in unseren Augen einer belustigenden Konsterniertheit gewichen war, hörten wir eine Gruppe Motorradfahrer anrücken.
Shit Happends, die werden doch nicht ahnungslos auf diese Kurve zu heizen. Plötzlich Totenstille. Nach einer unendlich zähen Schreckminute tuckerten uns, langsam säuselnd, die ersten Mopedfahrer, mit beiden Füßen am Boden schleifend und wie auf rohen Eiern balancierend, entgegen.
Die irre flackernden Blicke hinter den Visieren, ließen auf eine Begegnung mit dem Leibhaftigen schließen.

Ich wagte nicht dran zu denken, wie viele Motorräder in den nächsten Tagen, rund um Rijeka, in den Gräben versenkt werden würden.
Später hörten wir von einem Insider, dass sich bei länger anhaltender Trockenheit eine gefährliche Mischung aus salzhaltiger Luftfeuchte und sonstigem Gummizeugs auf der Straße bildet.

Gut, dass man wenigsten danach erfährt, warum man bei harmloser Geschwindigkeit hätte um einen Baum gewickelt werden können.

Ab diesem Moment wurde unsere Risikostufe von Unbeschwert auf Wahnsinn gesetzt, und der angeborene Killerinstinkt für die Straße wurde hauptsächlich auf mögliche oder unmögliche Auslaufzonen vor den Kurven, und jederzeit möglichen Flugobjekten in den Kurven, gelenkt.

Mental ausgepowert wie zwei Fluglotsen, die alleine den Frankfurter Flughafen bei Urlaubsbeginn umdirigieren mussten, erreichten wir die Steilküste vor Rijeka. Der atemberaubende Blick über die Kvarner Bucht begleitete uns die lange Abfahrt runter in die Stadt. Schon von weitem roch man den Duft mediterraner Nonchalance.
Das Meer gluckste und schäumte vor Glück. Alles schien in bester Ordnung zu sein. Nur der Gedanke, auf einem Teil der früheren Rennstrecke des GP von Opatija zu fahren, lies uns, in Erinnerung der letzten Stunden, ehrfürchtig Erschaudern.

Als blutige Kroatien Neulinge wären wir fast so belämmert gewesen, uns eine Bleibe im erst besten Rijeka Angebot zu nehmen, anstatt etwas weiter nach Opatija zu fahren, um dort, in dem quirligen Touristenstädtchen eine Bleibe zu suchen.
Gott sei Dank war das erste Angebot in Rijeka so grottenschlecht, dass wir förmlich zu unserem Glück nach Opatija getrieben wurden.

Die ?Côte d`Azur? von Kroatien zeigte sich von ihrer besten Seite. Wir wohnten in einem großen, alten Gebäude, das erst beim Blick in den Hinterhof, die unzählig verschachtelten Wohnungen in diesem Gebäudekomplex deutlicher aufzeigte.
Eine älter Dame empfing uns freudestrahlend und zeigte uns ihr, wahrscheinlich, eigenes Schlafzimmer, das sie in der Urlaubszeit an Touristen vermietete.

Morgens kredenzte sie in weißen Handschuhen einen abscheulichen Kaffee, der mit etwas Wurst und Käse auf einem undefinierbaren Gebäck eingenommen werden konnte.

Sie meinte es natürlich gut mit uns. Nur wir waren noch nicht wirklich in der Kroatischen Realität angekommen, und träumten noch etwas naiv von deutschem Bohnenkaffee und schwäbischen Laugenbrezeln.
Der Zahn war aber schnell gezogen, denn auch in den umliegenden Kaffees und Fünf Sterne Hotels gab es selten eine anderer Brühe als die von unserer Gastgeberin. Hätte ich mal besser meinen Kofferraum mit Mövenpick Kaffee voll gepackt, dann wären uns nicht nur alle Türen offen gestanden.

So mussten uns die adretten Promenaden Schönheiten den bitteren Geschmack des Kaffees versüßen. Das gelang ihnen auch bestens. Noch bevor wir übers Brot meckern konnten, fühlten wir uns, dank dieser schwarzhaarigen Gazellen, schon längst pudelwohl in dieser immer noch vom realen Sozialismus Titos bestäubten Region.

Die Symbole der aufkeimenden, freien Marktwirtschaft, wurden uns in Form großer Werbetafeln, die an jeder Ecke und fast jedem Restaurant prangten, aufgezeigt. Erster ?Boxenstopp? wurde bei ?Rothmanns? absolviert. Der Kaffee Melange war absolut genießbar und die Aussicht, dank der Nähe zum Busbahnhof, mehr als interessant.
Nach diesem ersten Einchecken, wollten wir der Rennstrecke in Grobnik auf die Pelle rücken. Auf der Autobahn Richtung Zagreb sah man schon von weitem, links neben der Autobahn, eingebettet in felsiges Hügelland, die Rennstrecke liegen. Zumindest versprach das keine ?Eier suche? wie beim Salzburgring. Direkt von der Autobahn runter ins Motodrom.

Die Tage bis zum GP zogen sich träge in die Länge. Das mit dem Kaffee und dem Chillen war ja schon bei Rothmanns geklärt. Die Suche nach trinkbarer Plörre war um einiges mühsamer, wenn nicht gänzlich unmöglich. Schlussendlich parkten wir nachts auf einem Barhocker in der Disco, damit der üble Geschmack wenigsten mit Musik und tanzenden Weibern verdünnt werden konnte.

Einige Häuser weiter stadteinwärts, hinter unserer Herberge mit den weißen Handschuhen, passierten wir einen freien Platz auf der linken Straßenseite. Etwas zurückgesetzt, vielleicht um einen halben Häuserblock, lag ein kleines Bistro, das mit seinem gelangweilt dreinschauenden Kellner an der Einganstür, täglich auf etwas Abwechslung wartete.
Irgendwann wurden wir schwach, und saßen alleine, mit dem Kellner als Unterhalter, an einem der drei kleinen, runden Bistrotischchen, die vor der Tür standen. Es gab sogar eine zweisprachige Speisekarte. Ich bestellte, wie selbstverständlich, gegrillten Tintenfisch. Schließlich waren wir in Kroatien an der Küste. Mein Kumpel nahm irgendeine Jugo Grillpfanne. Eine halbe Stunde später bekamen wir zwar hübsch drapierte Fleischknäuel, die leider völlig zäh, und auch mit keinerlei Nachbehandlung, genießbarer als ein ausgeschüttelter Ölfiltereinsatz wurden. Favoriten fürs tägliche Mittagsmenü schmecken eindeutig anders.
Die Nähe zu unserer Herberge war allerdings nicht von der Hand zu weisen, und bevor wir gingen, schauten wir noch mal die Speisekarte durch. Vielleicht ließ sich doch noch etwas Brauchbareres finden.

Aaa-ha, es gab sogar Pizza! Zwei, drei Sorten nur, aber immer hin. In der Vergangenheit waren Pizzas immer das verlässlichste Futtermittel, egal in welcher Ecke dieser Welt wir steckten. Deshalb wollten wir, dem mittlerweile recht unterhaltsamen Kellner, am nächsten Tag noch eine letzte Chance geben.

So saßen wir also am nächsten Nachmittag - auf der Rennstrecke war bisher nur Reinhold Roth als einsamer Fitness Radler zu beobachten - in unserem Bistro in der Nachbarschaft. Zuerst äugte uns der Kellner skeptisch entgegen, so als wollten wir nach dem gestrigen Desaster Splitterholz aus seiner Grillbude machen.

Als wir uns tatsächlich setzten, Pizza quattro stagioni bestellten, schwappte die Erleichterung förmlich mit einem befreienden Lächeln aus dem angespannten Gesicht.
Nachdem wir die fettige Pizza, die mit all ihren schmackhaften Zutaten zwischen Messer und Gabel dampfte, mit wachsender Begeisterung vernichtet hatten, war klar, dass wir die beste Pizza der Welt gefunden hatten, irgendwo im feurig, mediterranen Fleischspießland mit schnödem Bistro und halbseidenem Meeresblick.
Man lernt nie aus.


Die Rennstrecke war eine Steinwüste, in die vermutlich eine Handvoll Zwangsarbeiter die Grundlage für das später ausgewalzte Asphaltband frei klopfen mussten. Anders war der Standort in dieser unwirtlichen Gegend nicht zu erklären. Es gab Rennfahrer, die ins Kiesbett rauschten, und später, nach dem ersten Schock, von den von ihnen frei geräumten Felskanten berichteten.

Für die Zuschauer war die Strecke gut zugänglich. Die Trainings, wie immer, das Beste. An einer Stelle, die kurze Gerade, nach der 180° Linkskurve, standen wir so nahe an der Strecke, dass man fast das After Shave der Fahrer riechen konnte. Ganz zu Schweigen von der Geräuschkulisse, wenn sie nach ihrem abschließenden Slide aus der 180° Kurve, übergangslos die kurze Gerade mit einem Wheely aufsaugten.
Direkt vor unserer Nase einen Gang zurück ?gepäppt?, durch eine leichte Links rechts Schikane, und weiter zu einer Bergab Linkskurve, die um einen Hügel und gleichzeitig aus unserem Sichtfeld bog.

Wer noch nie eine 500er Zweitakt Rennmaschine aus der Nähe arbeiten sah, noch dazu wenn sie von exzellenter Hand und todesmutigen Gladiatoren bedient wurde, kann am TV unmöglich das vor strotzender Kraft nahezu unberechenbare Monster, das den Mythos der unbezwingbaren Maschine nährt, nachvollziehen. Umso stärker wurden diejenigen in den Bann gezogen, die in unmittelbarer Nähe am Geschehen teilnahmen.
Als ob man selbst dabei wäre, brannten die Zweitakt Raketen ihre Dezibel ins Mittelohr. Selbst Wochen später, auf der zahmen RD500, waren sie unterm Helm wieder abrufbar. Zusammen mit den gedanklichen Beschleunigungs- und Schräglagenorgien, die dann selbstverständlich zügig an der harten Realität des ?normalen? Motorradfahrerlebens abgeschliffen wurden.

Kevin hat Wayne geknackt. Eddie durchsuchte kurz die Wiese nach Schlaglöchern. Freddy stellte seine Yamaha gleich ganz ab, und lief zurück in den Paddock.

Wir fuhren zufrieden nach Hause.

Drei Wochen später ab nach Belgien.

Spa signalisiert schon optisch eine wunderbare Rennstrecke. Drauf zu fahren muss ein göttliches Gefühl sein. Schnell, Breit, Superkurven und Bergauf Bergab. Genial.
Weniger genial das Wetter. Speziell an unserem Wochenende. Dauerregen mit kleinen Unterbrechungen, die immer genau für einen Neustart reichten, nur um nach 3 Runden wieder die Schleusen zu öffnen.
Nicht wirklich lustig, wenn man ohne Regen Accessoires am untersten Punkt der Strecke steht.

Die Stimmung war nicht nur bei uns auf dem Tiefpunkt. Den Rennfunktionären muss auch etwas besonders saurer Regen in die Birne geplätschert sein.
Denn nach dem dritten Neustart der 500er stellten sie fest, dass dieser dritte Start, laut Reglement, gar nicht stattfinden, und deshalb auch nicht gewertet werden durfte.

Als ob Kevin das geahnt hatte, schmiss er seine Suzuki in der letzten Runde, nach dem er mit einen komfortablen Vorsprung durch die Pfützen in Spa pflügte, einfach in die nasse Wiese.

Was für ein Desaster Tag.

Völlig Nebensächlich zu erwähnen, dass sich auf der Heimfahrt von Spa, mein hinterer Stoßdämpfer endlich durch die vermoderte Aufnahme gebohrt hatte. Wenigsten lief nun das Wasser im alten Golf sauber auf die rechte Seite ab, und verschonte mich vor nassen Füßen.


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RE: American Express 1988-1993

#5 von tomas , 06.02.2011 20:41

Du solltest wirklich mal über eine Veröffenlichung Deiner wunderschönen Bikerstorys nachdenken; entsprechend einschlägig promoted sollte bestimmt einiges an Tantiemen für Dich herausspringen- duchaus ernst gemeint!


Der Horizont mancher Menschen ist ein Kreis mit dem Radius Null - das nennen sie dann ihren Standpunkt.

La resignacion es un suicidio permanente! MotoGP zurück zu EUROSPORT!
http://www.petitiononline.com/RCV212V4

 
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RE: American Express 1988-1993

#6 von Ar-one , 07.02.2011 18:53

Zitat von tomas
Du solltest wirklich mal über eine Veröffenlichung Deiner wunderschönen Bikerstorys nachdenken; entsprechend einschlägig promoted sollte bestimmt einiges an Tantiemen für Dich herausspringen- duchaus ernst gemeint!



Danke - ich weiss - ich sollte soooooo viel...

Wird Zeit, dass ich in Rente gehe, um mal ausgedehnt in die Tatsen hauen zu können. Aber datt dauert noch...

Dafür habt ihr alles Exklusiv... 8)


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RE: American Express 1988-1993

#7 von Ar-one , 27.02.2011 13:38

Bei meinen endlosen Recherchen, durch die tiefen des I-Net, fand ich diesen Link. Ist bestimmt als Buch rausgekommen. Hab noch keine Memoiren von KS gelesen, aber das dürfte das Gerippe gewesen sein. Interessant, als er die kleine Disharmonie mit Eddy Lawson erzählt. Leider alles in Englisch.


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