Aller Anfang ist schwer?
Angefangen hat alles mit dem ersten Ausritt auf einer NSU Quickly meines Kumpels, im Jahr 1970, einem mit Schottersteinchen gespickten Knie, und einem Ellbogen, der wie ein aufgeplatzter Igel aussah. Ich kann nicht sagen, ob es das berauschende Gefühl des Fahrtwindes, oder die enorme Beschleunigungssteigerung zu meinem Fahrrad war. Jedenfalls wurde mir damals sofort bewusst, das das motorisierte Zweirad mein Leben bestimmen würde.
Die Besessenheit hielt an bis ins Jahr 1974, als ich jede müde Mark meines damals kargen Lehrlingslohns auf den Prüfstand legte, mir jede Kippe, jedes CD Export dreimal überlegte, nur um möglichst schnell mein eigenes Moped, das sagenhafte Herkules K50 RE (mit hochgezogenem Auspuff) zu kaufen.
Die zwei Jahre, bevor ich 18 wurde, fuhr ich mehrmals als Sozius auf der Honda CB750 Four, und durfte sogar einmal mit einer Kawa Z900 eines älteren Kumpels fahren. Überflüssig zu erwähnen, welch fiebriger Motorrad Bazillus in den tiefen meines jungen Bewusstsein infiziert wurde. Die Inkubationszeit dauerte exakt bis zu meinem 18. Geburtstag. Ich stand in England, um mit meinen spärlichen finanziellen Mitteln, soviel wie möglich ?Motorrad? zu kaufen. Für eine gebrauchte CB 750er hätte es gereicht. Aber auch für eine neue Kawa Z650, die erst in diesem Jahr auf den Markt gekommen war. Zuerst enttäuscht, weil ?nur 650iger?, wurde die positive Überraschung umso stärker, nachdem ich die ersten, schwereren CB 750 versägen hatte.
Danach kam die gleichzeitig mit dem steigenden Gesellenlohn verbundene Steigerung, und die wunderschöne Kawa Z 1000 A1 stand in der Garage. Bärenstark, und wunderschön. Die damals noch ziemlich vernachlässigte Fahrwerkstechnik, fiel im Freudentaumel der 70iger Jahre, wo 85 PS in einem Zweirad schon einem Wunder gleichkamen, nicht sonderlich auf. Das mysteriöse Eigenleben zwischen Gabel und Schwinge wurde, schon allein wegen fehlender Referenzen, billigend in Kauf genommen. Das bedeutete für denjenigen, der die volle Power ausspielen wollte, regelmäßig eine Mutprobe sobald die Tachonadel über 120km/h zitterte. Neben der Weitsicht, plötzlich die komplette Straßenbreite zu beschlagnahmen, mussten alle vorhandenen Sinne für einen unberechenbaren Rodeo Ritt zur Verfügung stehen.
Zu dieser Zeit war die ganze Clique auf Langstreckenrennen gepolt.
Wir fuhren zu den 8 Stunden Endurance Rennen an den Nürburgring, wo damals das Honda Duo Leon/Chemarin den einsamen BMW Kämpfer Helmut Dähne, regelmäßig zur Verzweiflung trieben.
Nachts am Lagerfeuer im Juli, wo in der Eifel immer noch minusgrade mit leichtem Schneefall möglich waren, wurde mit reichlich Alkohol als Frostschutzmittel dem Erfrierungstod vorgebeugt. Dies ermöglichte die tollsten Lagerfeuergeschichten. Unter anderem wurde auch über die Grand Prix Szene gefachsimpelt. Damals wurde Barry Sheene von Kenny Roberts abgelöst. Der Amerikaner sorgte mit seinen großspurigen Ankündigungen für allerlei Unmut bei den Fans am Ring.
Bei diesen Diskussionen kam ich das erste mal mit der GP Szene in Berührung. Es dauerte aber noch ein paar Jährchen, bis ich diese Szene genauer inspizierte.
Im Moment war ich noch viel zu sehr in die Langstrecke verliebt. Wir fuhren regelmäßig zum Boldor nach Le Castellet. Manchmal reichte es, verbunden mit gleichzeitigem Urlaub, sogar nach Barcelona, zum 24 Stunden Rennen am Montjuic. Das war wie Formel1 in Monaco.
Man muss sich das mal vorstellen. Heute würden die Grünen so etwas mit einer Sitzblockade verhindern.
Montjuic ist mitten in Barcelona. Eine Touristenattraktion mit schöner Burg, reichlich Parks und Museen Drumherum. Die schmale Straße um den Berg wurde als Rennstrecke modifiziert, und auf den Bürgersteigen konnte das interessierte Fußvolk bequem, entweder die Racer in Aktion, oder kurz mal ein kulturelles Highlight, begutachten. Dabei musste man gelegentlich damit rechnen, dass einem ein Pilot vor die Füße kullerte oder ein Rennfahrerkollege auf dem Gehweg stand, um die Konkurrenz zu beobachten. Es war damals recht schnell zu erkennen ob ein Fahrer Rennfahrer war. Schließlich war zu dieser Zeit der ?Schwarze? von Harro Usus. Die Rennfahrer aber waren schon bunter und je nach Fortdauer der Veranstaltung, mehr oder weniger zerfledderter unterwegs. Einmal stand ich neben einem langhaarigen italienischen Fahrer. Wir beobachteten die Einfahrt einer Linksrechts Kombination. Ich bot ihm eine Zigarette an, und wir pafften unsere Stängel zusammen runter, bis er genug gesehen hatte und verschwand. Später im September, fiel mir beim Boldor eine lange schwarze Mähne unter dem Helm eines Rennfahrers auf. Da war doch was?? Auf der Starterliste war er als Graziano Rossi aufgeführt. Sagte mir aber damals nicht viel. Könnte man in die Zukunft schauen, hätte ich ihm angesichts dessen was er noch so alles produzieren würde, schon damals gratulierend die Hand geschüttelt.
Ja, - das waren noch Zeiten.
War aber nun nichts besonderes, denn es wiederholte sich zumindest während der Trainings öfters. Unterschiedliche Fahrer, die Schwierigkeiten an einer bestimmten Stelle hatten, mussten ja auf dem Gehweg die Sache inspizieren. Da gab es noch keine Sicherheitszonen mit 200m Abstand zu den Zuschauern.
Wir campten im Park neben den Privatfahrern. Zumindest wärend der Woche bei den Trainings. Vor dem Rennen, am Samstag wurde dann doch etwas ausgelichtet. Ein Privatfahrer aus Schweden, der meinem Kumpel bei seinem Batterieproblem half, und ihn mit irgendeinem Ersatzteil unterstützte, stellte sich beim studieren der Starterliste als ein gewisser Anders Andersson aus Schweden heraus.
So klein war die Motorradwelt damals.