RE: Ben Hur und die Elektronik

#1 von Ar-one , 28.04.2011 19:34

Zur Abwechslung mal wieder ein "Monolog"...


Es gab Zeiten, da war es wichtig, die sechs Pferde vor dem Streitwagen zu kennen, und jedem Pferd, individuell, die Nüstern auf eine bestimmte Art zu streicheln damit es am Tag des Rennens nicht beleidigt nach dem Nachbarpferd schnappte, und somit vielleicht einen Sieg vermasselte.

Diese Zeiten sind längst vorbei. Gott sei Dank ? möchte man sagen. Nicht wegen dem Spektakel, eher weil es zu dieser Zeit weder fließend Wasser, noch eine funktionstüchtige Kanalisation gab.

Das Grundbedürfnis der aufregenden Fortbewegung war allerdings damals schon gegeben. Nur eben mit einer Pferdestärke. Da dies, echten Männern, aber nie genug ist, wurde schon zu dieser Zeit auf sechs Pferdestärken hochgetunt.

Heutzutage bewegen sich die Motorradasse in der Königskategorie mit ca. 220 PS, die im kommenden Jahr, bei den 1000ccm Maschinen, auf ca. 240 PS hochgeschraubt werden sollen.

Viele Personen - auch solche die noch nie selbst auf einem Motorrad saßen - sind sich darüber einig, dass diese unverschämt hohe PS Zahl auf einem Zweirad unmöglich ohne Elektronik zu beherrschen wäre.

Andere wiederum, können nur spöttisch Lächeln wenn sie von den Elektroniksorgen der heutigen Akteure erfahren. Denn die wissen noch was es heißt, wenn der Gasgriff nach einen Millimeter Drehung, ohne Vorwarnung 20 oder 30 PS freisetzt.

?Wir hatten schon 2003 fly-by-wire an der Honda RC211V und dazu eine Traction-Control. Ducati hat den elektronischen Gasgriff für 2007 auf ein neues Niveau gehievt. Von diesem Zeitpunkt an mussten alle gegnerischen Werke nachziehen. Würde man heute manche elektronische Systeme verbieten, würde sich nichts verbessern?, plaudert Jeremy Burgess aus dem Nähkästchen.

Der letzte Weltmeister der 990ccm Maschinen, Nicky Hayden, meint zu den zahmeren, elektronikgezügelten 800ern: ?Ich steuere das Motorrad gerne mit dem Hinterrad. Ich gebe dann vor dem Kurvenausgang mal richtig Gas, bevor die Kiste in Fahrtrichtung zeigt. Dann dreht das Hinterrad durch, und ich fahre sideways aus der Kurve raus. Aber wenn du ein bisschen zu spät bremst, dann macht die Elektronik so einen Fahrstil unmöglich! Es wird Power weggenommen, damit die Gefahr eines Highsiders wegfällt. Und wenn die Kraft fehlt, kannst du nicht driften.?

Es wird befürchtet, dass die hohe Kunst der Gasgriffkontrolle vom Aussterben bedroht wird, und ein großer Teil der einstmals so spektakulär wie gefährlichen Aktionen, den elektronischen Fahrhilfen zum Opfer fällt.
Hayden ergänzt: ?Dein Gehirn und dein ganzer Erfahrungsschatz sagen dir, du sollst bei dieser Schräglage und diesem Speed den Gasgriff nicht voll aufdrehen. Aber du musst diese mentale Blockade überwinden. Das ist heute der Schlüssel zum Erfolg. Du musst dein Gehirn so programmieren, wie es die elektronischen Fahrhilfen verlangen. Du kämpfst nicht gegen die Elektronik. Du musst sie dir zunutze machen. Mit ihrer Hilfe kannst du sicher sanfter mit dem Motorrad umgehen.?

Man könnte nun gehässig werden, und sich die sechs Pferde vor der Ben Hur Kutsche mit elektronischer Fahrhilfe vorstellen. Kurz bevor Ben Hur mit dem brachialen Speed seiner sechs weißen Teufel, nur noch auf einem Rad durch die Kolosseums Kurve zu eiern droht, werden den zwei vorderen Hengsten durch Elektroschocks am Gehänge etwas Temperament rausgenommen. Ab dem Kurvenausgang, wenn beide Räder wieder auf dem Boden sind, faucht ein mörderisch hungriger Löwe, der unter dem Wagen festgenagelt wurde, mit voller Lautstärke in die Arschbacken der sechs PS, die dann wirklich wie vom Teufel verfolgt ihre Hufe wie wahnsinnig in den staubigen Boden knallen.

Ben Hur muss nur noch drauf achten, dass er nicht von seinem Streitwagen purzelt, wenn die Elektroschocks mal etwas zu stark ausfallen, und die zwei Vorderen komplett den Dienst verweigern. Wer könnte ihnen das verübeln?

Der Fahrer wird immer mehr zum Reagieren verteufelt. Vorbei die Zeiten, in denen man das Gefühl hatte, die Fahrer agieren und kämpfen mit der furchterregenden Power ihren Bikes. Immer mit der sichtbaren Haaresbreite vor dem Highsider. ?Riding on the Edge? ist heute nahezu unsichtbar, oder aber so anmutig, dass man vermuten könnte es wird mit dem Motorenmaping eingebaut.

Wer heute die Gladiatoren der 500er Zweitaktzeit im Rollstuhl, mit humpelnden Beinen, oder verkrüppelten Handknochen sieht, wird nichts gegen mehr Elektronik haben, die eine sanftere und sicherere Fahrweise zulässt. Doch selbst die Hauptbetroffenen ? die Fahrer ? wünschen sich teilweise mehr Action zurück, bei der die Fans ? so Hayden ? sagen: ?WOW!? Sie sollen deutlich sehen, warum nur 15 Piloten diese Geschosse beherrschen.

Doch weder die Fahrer, noch die Fans haben hier was zu melden.
?Wir können nicht mehr dorthin zurückkehren, wo wir begonnen haben?, stellt J. Burgess klar. ?Sonst könnte man gleich eine Straßenmaschine schnappen und damit an den Start gehen. Denn das meiste Zeug, das wir am GP Bike sehen, wird aus Sicherheitsgründen entwickelt und dann in Serienmaschinen verbaut.

Honda und Yamaha leben nicht vom Rennsport. Sie wollen Motorräder verkaufen. Der Rennsport steht erst an zweiter Stelle.?


"Serious sport has nothing to do with fair play. It is bound up with hatred, jealousy, boastfulness, disregard of all rules and sadistic pleasure in witnessing violence: in other words it is war minus the shooting."

 
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